»Es muss klar sein, auf welcher Seite wir stehen«

Europäische Linke debattierte auf Sommeruniversität im italienische Trevi ihre Position zur EU

  • Carsten Albrecht
  • Lesedauer: 3 Min.
Politiker, Aktivisten und Sympathisanten linker Parteien aus ganz Europa trafen sich in der vergangenen Woche für mehrere Tage in Umbrien. Im Rahmen der Sommerakademie der Europäischen Linkspartei diskutierten sie aktuelle Fragen der Europapolitik.

»Zehn Jahre nach den G8-Protesten in Genua ist viel von dem eingetroffen, wovor wir gewarnt haben: massiver Sozialabbau, mehr Kriege, dramatische Umweltzerstörung.« Mit dieser nüchternen Feststellung begrüßte Paolo Ferrero, Sekretär der Partei der Kommunistischen Neugründung (Rifondazione Comunista) Italiens, die knapp 200 Teilnehmer der Sommeruniversität der Partei der Europäischen Linken (EL) im italienischen Trevi. Auch 20 Deutsche waren dabei.

Konsens herrschte unter den Teilnehmern über die Ursachen der aktuellen Krise: »Die EU ist das weltweit einzige politische Gebilde, in dem der Neoliberalismus Verfassungsrang hat«, sagte Ferrero mit Blick auf den Lissabonner Vertrag. Während der Sommeruniversität hatte die italienische Regierung das größte Sparpaket in der Geschichte des Landes verabschiedet. 79 Milliarden Euro sollen künftig eingespart werden. Das bedeute Kürzungen im Sozialbereich, höhere Zuzahlungen im Gesundheitswesen, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst sowie weitere Privatisierungen, betonten die italienischen Teilnehmer.

»Die Schuldenkrise wird von den Regierungen und der EU genutzt, die letzten Reste der Sozialsysteme einzustampfen«, kritisierte Fabio Amato, zuständig für die internationalen Beziehungen der Rifondazione. »Wir haben es mit einer großen Welle der Sparpolitik und der autoritären Repression zu tun«, pflichtete ihm Pierre Laurent, Vorsitzender der Französischen Kommunistischen Partei und zugleich der EL, bei. »Unsere Aufgabe ist es, dem Widerstand gegen diese Welle eine politische Kraft zu verleihen«, so Laurent.

Samir Amin, Präsident des World Forum for Alternatives, forderte eine Abwendung von der EU, um etwas völlig Neues aufzubauen: »Es ist nur ein frommer Wunsch zu glauben, man könne die bestehenden EU-Institutionen soweit reformieren, wie es nötig wäre.« Mitglieder der französischen Partei der Linken (PG) schlugen verfassungsgebende Versammlungen in einzelnen Staaten der EU vor, um ein anderes Europa zu errichten.

Hoffnung machten den Gesprächspartnern die Massenbewegungen für soziale Gerechtigkeit in Griechenland und Spanien. Französische Teilnehmer der Sommeruniversität berichteten von ersten Versuchen, eine ähnliche Bewegung auch in Frankreich aufzubauen. Allerdings spielen Parteien in Griechenland und Spanien bisher kaum ein Rolle. »Die Proteste wenden sich gegen das System und die Träger dieser Proteste nehmen auch die linken Parteien als Teil des Systems wahr«, erklärte Lara Hernandez von der spanischen Vereinigten Linken (IU). Auch Stravos Panagiotidis von der griechischen Linkspartei Synaspismos bedauerte, »dass die Demonstranten so parteienfeindlich eingestellt sind«.

Auch über eine Regierungsbeteiligung linker Parteien in Europa wurde debattiert. So ist seit einigen Monaten das finnische Linksforum an einer »Regenbogenkoalition« beteiligt, zu der neben Sozialdemokraten und Grünen auch Konservative gehören. EL-Chef Laurent schilderte seinerseits die Regierungserfahrungen der französischen Kommunisten: »Zwar haben wir hier und da etwas erreicht, aber unterm Strich waren diese linken Regierungen eine Katastrophe.« Die französische Linke sei 2001 nach dem Ende der Koalitionsregierung derart diskreditiert gewesen, dass aus dem linken Lager niemand mehr in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gelangte. »Gerade in Zeiten europaweit koordinierten Sozialabbaus muss klar sein, auf welcher Seite die Linke steht.«

Mit dieser Aussage dürfte Laurent seiner Parteibasis aus der Seele sprechen. Allerdings hatten französische kommunistische Politiker immer wieder deutlich gemacht, dass sie einer Regierungsbeteiligung nicht ablehnend gegenüber stünden. Willy Meyer (IU) forderte vor diesem Hintergrund, dass Linke nie für Kriegseinsätze stimmen dürfen – was Regierungsbeteiligungen erschwert. Dies sei eine »rote Linie«. Zu Beginn des Libyen-Krieges hatte die französische Linkspartei von sich reden gemacht, weil sie den Einsatz unterstützte.

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