Stöckelsicheres Pflaster in Rom

Bürgermeister will damit Frauen besänftigen, erntet aber heftige Kritik

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Roms Bürgermeister Gianni Alemanno hat in den drei Jahren seiner Amtszeit viele Misserfolge zu verbuchen und seine Verwaltung ist ein einziges Chaos. Vor einigen Wochen wurde sogar seine Regierung vom Gericht aufgelöst, da unter den Stadträten nur eine Frau war und dies gegen das Gleichstellungsstatut verstieß. Aber nun will der Bürgermeister mit neofaschistischer Vergangenheit allen Frauen in Rom ein großes Geschenk machen: Die wichtigsten Einkaufstraßen der Stadt sollen neu gepflastert werden und die Pflastersteine sollen auch für Frauen mit Pfennigabsätzen geeignet sein.

Stolz hat Gianni Alemanno die große Neuigkeit verkündet: In der kommenden Weihnachtszeit können die Frauen in Rom shoppen gehen, ohne mit ihren Stöckelschuhen in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen hängen zu bleiben! Dafür wird jetzt der Belag von einigen wichtigen Einkaufsstraßen rundum erneuert: Kosten zwischen zwei und drei Millionen Euro.

Die traditionellen Pflastersteine von Rom heißen »Sanpietrini«, was man mit »Sankt-Peterchen« übersetzen könnte. Es handelt sich um Basaltquader 12 x 12 cm, die nach unten spitzer werden. Das erste Mal wurden sie Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem Petersplatz verwendet (daher der Name) und für die Pflasterung von Straßen und Plätzen haben sie viele Vor- aber auch einige Nachteile. Ein wichtiger Vorteil ist, dass sie sich gut der jeweiligen Beschaffenheit der Erde anpassen – ein Nachteil hingegen, dass sie sich mit der Zeit gegeneinander verschieben und kleine Zwischenräume und Unebenheiten entstehen, in denen man leicht hängen bleiben kann. Davon können nicht nur die Frauen mit Stöckelschuhen ein trauriges Lied singen, sondern auch die wenigen Rad- und die vielen Mofa-Fahrer, die es in Rom gibt: Ausrutscher und kleinere Unfälle sind da an der Tagesordnung. Die neuen Steine sollen jetzt auf einen besonders vorbereiteten Untergrund gesetzt und mit einer Art Schutzschicht überzogen werden, so dass sie fast eine ebene Fläche bilden.

Aber trotzdem scheinen die Römerinnen und Römer das »Geschenk für die Damen mit Pfennigabsätzen« ihres Bürgermeisters nicht besonders gut aufzunehmen. »Es gibt einige Gassen im Zentrum von Rom, durch die man auch mit Bergschuhen kaum durchkommt; die Schlaglöcher sind einfach zu tief«, sagt zum Beispiel der Oppositionspolitiker Stefano Marin. Und sein Kollege Athos de Luca zählt einige der Probleme auf, die in Rom nun wirklich dringlicher sind: »Die Kriminalität wird immer brutaler, die öffentlichen Transportmittel funktionieren nicht, der Verkehr ist ein einziges Chaos, der Müll türmt sich fast wie in Neapel, die lokalen Steuern steigen immer weiter … Sind Pflastersteine für Stöckelschuhe darauf die richtige Antwort?«.

Und auch viele Frauen sind sauer darüber, dass man sie auf ihre Schuhe reduziert. Caterina Merlino ist Schauspielerin: »Es stimmt sicherlich, dass meine hohen Schuhe häufiger beim Schuster als an meinen Füßen sind, weil die Absätze immer in den Steinen hängen blieben. Aber mir wäre es wirklich lieber gewesen, wenn sich der Bürgermeister um gut beleuchtete Frauenparkplätze oder um mehr Kindergärten kümmern würde. Das ist für uns Frauen sicherlich sehr, sehr viel wichtiger.« Besonders grotesk findet Frau Merlino, dass Gianni Alemanno ja gerade sein Kabinett auflösen musste, weil unter den zwölf Stadträten gerade mal eine Frau war und das gegen das Verwaltungsstatut verstößt, das Rom sich selbst gegeben hat.

Nach der Kabinettsumbildung sind es jetzt zwei Frauen – und die Politikerinnen der Opposition wollen erneut klagen, weil auch das noch keine »angemessene« Vertretung garantiert. Die neuen, hochtechnologischen und sündhaft teuren »Sankt-Peterchen« sind da wohl keine ausreichende Entschädigung.

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