Handwerk protestiert gegen Rot-Rot

Kammern und Verbände lehnen Gesetzesentwurf zur kommunalen Daseinsvorsorge ab

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Erstmals schlägt der rot-roten Landesregierung die offene Ablehnung der freien Wirtschaft entgegen. Die geballte Macht von Kammern und Wirtschaftsverbänden protestierte gestern gegen die Novelle des »Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge«.

Mit diesem neuen Gesetz, für das am Donnerstag eine Fachanhörung angesetzt ist, sollen die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen deutlich ausgeweitet werden. Das Handwerk, die Industrie- und Handelskammern sowie die Vereinigung der Unternehmerverbände haben sich klar dagegen ausgesprochen, weil sie erhebliche Wettbewerbsverzerrungen befürchten.

Der Vorsitzende der IHK Potsdam, Victor Stimmig, gestand den Kommunen zu, angesichts der Einwohnerentwicklung neue Wege zu suchen. Was die Landesregierung mit ihrem neuen Gesetz plane, sei allerdings »zuviel des Guten«. Das bedeute den Vormarsch der Staatswirtschaft, und der habe noch nie zu mehr Effizienz geführt. Der Präsident des Handwerkskammertages Bernd Ebert sagte unumwunden: »Wir lehnen den Entwurf, so wie er jetzt ist, ab.« Die damit beabsichtigte Entfesselung der kommunalen Wirtschaftsbetätigung gehe zu Lasten der kleinen Betriebe. Es entstehe eine unlautere Konkurrenz und eine Wettbewerbsverzerrung, die in einer ganzen Reihe von Bereichen die kommunale Wirtschaft gegenüber der privaten privilegiere. Das Gesetz bedeute im Endeffekt weniger Aufträge für Unternehmen und damit auch geringere Steuereinnahmen für die Kommunen.

Der Entwurf gehe »eindeutig in die falsche Richtung«, bestätigte auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände von Berlin und Brandenburg, Christian Amsinck. Verdrängung ist diesen Angaben zufolge vor allem im Baubereich zu erwarten, aber auch im der Abfallwirtschaft, der Energiewirtschaft, sowie im Garten- und Landschaftsbau.

In einem gemeinsamen Brief wandten sich Vertreter der Wirtschaft dieser Tage an die Minister der Landesregierung, an Landtagsabgeordnete, den Landkreistag und den Städte- und Gemeindebund. »Mit dieser Gesetzesnovelle werden Änderungen in der Praxis angestrebt, die nicht erforderlich sind«, heißt es darin. Schon nach der heute bestehenden Gesetzeslage hätten Kommunen weite Spielräume, sich wirtschaftlich zu betätigen. Diese Spielräume hätten regelmäßig zu Konkurrenzsituationen zwischen kommunalen und privaten Unternehmen geführt. »Es wird also ein Gesetz ohne Not geändert! Angesichts der vorgeschlagenen Neuregelungen werden sich diese Konflikte massiv verschärfen.«

Die private Wirtschaft fürchte nicht die Konkurrenz durch kommunale Unternehmen, unterstreichen die Wirtschaftsvertreter in ihrem Brief. Wettbewerb müsse jedoch zu gleichen Ausgangsbedingungen erfolgen, die im Spannungsfeld von Privat- und Kommunalwirtschaft nicht gegeben seien. Als Beispiele für massive Wettbewerbsverzerrung führen sie an: Kommunale Unternehmen genießen bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben steuerliche Privilegien. So zahlen diese weder Umsatz- noch Ertragssteuern. Auch würden keine Abgaben an Sozialkassen durch die Kommunen geleistet, was einem Unterlaufen des Solidaritätsprinzips gleichkomme.

Auf die massive Kritik von Kammern und Verbänden am Entwurf des Gesetzes zur kommunalen Daseinsvorsorge sagte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE): Er habe einige Änderungen in diesem Entwurf durchgesetzt, der vom Innenministerium erarbeitet werde. So bleibe es weiter bei der Zustimmungspflicht der Gremien, sollte es zur Gründung neuer Stadtwerke kommen.

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