Gesundet und versöhnt

Der einst depressive Radprofi Juan José Cobo gewinnt die Spanienrundfahrt

  • Tom Mustroph, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.

Juan José Cobo ist der Gewinner der Spanienrundfahrt 2011. In einem Duell der Nobodies setzte sich mit ihm der etwas Erfahrenere gegen den Exoten Chris Froome aus Kenia durch. Die großen Favoriten patzten. Und weil die Vuelta ihr Programm ein wenig änderte, Sprintetappen auf ein Minimum reduzierte, die Badeparadiese an der Küste und auch das Baskenland in die Strecke einbezog, war nicht nur der sportliche Wettbewerb höchst anregend – es kamen auch mehr Leute als gewohnt an die Straße. Die Spanienrundfahrt ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.

Kaum jemand hatte mit dem Erfolg des »Bisons von La Pesa«, wie der 30-jährige Cobo wegen seiner etwas gedrungenen Gestalt genannt wird, gerechnet. Selbst Eusebio Unzue, im letzten Jahr Cobos Teamchef, schien völlig verblüfft von dessen Auftritt 2011. »Er hat niemals zu uns gepasst. Er hat sein Bestes gegeben, aber einfach nicht seinen Platz bei uns gefunden«, sagte der Boss des spanischen Teams Movistar. »Ich bin überrascht, ihn jetzt auf diesem Niveau zu sehen«, plauderte Unzue weiter und berichtete von der Anfälligkeit Cobos: »Ich habe in 40 Jahren niemals einen Profi gesehen, der in solch schnellen Zyklen von einem sehr hohen Niveau zu einem sehr niedrigen Level wechselt.«

Aus dem Munde des Betreuers des hartnäckigen Dopers Alejandro Valverde klingt eine solche Überraschung über Leistungsschwankungen durchaus alarmierend. Im Falle Cobos, bei dem wegen seines Pyrenäensturmritts während der der Tour de France 2008 gemeinsam mit den später wegen CERA-Dopings aus dem Verkehr gezogenen Riccardo Ricco und Leonardo Piepoli der Leistungsbetrugsverdacht seinerseits durchaus vorhanden war, kommt jedoch als eine andere – und vielleicht entscheidende – Ursache ins Spiel: Depression.

Vor anderthalb Jahren habe er sich in sein Zimmer eingeschlossen und es für einen Monat nicht verlassen, sagte Cobo am Tage seines historischen Triumphes auf der Bergetappe zum Angliru. »Ich wollte niemanden sehen und erst recht nicht aufs Rad steigen«, blickte er zurück. Doch immerhin rappelte er sich wieder auf, heuerte bei seinem alten Team Geox an und kam zur Vuelta. »Ich hatte keine Ambitionen, habe nicht an den Sieg oder das Klassement gedacht«, meinte er.

Gerade diese Abwesenheit von Erwartungen könnte zum Leistungssprung des bislang nur mit einem Etappensieg bei der Vuelta und dem Gesamtsieg der Baskenlandrundfahrt aufgefallenen Profis geführt haben. »Wenn du alles verlierst, wenn alles von dir abfällt, befreit dich das«, erklärte er.

Cobo eroberte am Königswochende der Vuelta in den asturischen Bergen das rote Trikot und gab es nicht mehr ab. Er profitierte dabei von einem Hungerast des Titelverteidigers Vincenzo Nibali. Der machte in den Folgetagen nicht den Anschein, Cobo gefährden zu können. Der Spanier fuhr auch den zweiten großen Favoriten Bradley Wiggins aus den Schuhen. Als einziger ernsthafter Konkurrent stellte sich dessen Adjudant von Team Sky, Christopher Froome, heraus. Hätte Sky von Beginn an die Kapitänsfrage nicht nach Reputation, sondern aktueller Leistungsstärke entscheiden, hätte der gebürtige Kenianer möglicherweise nicht mit 13 Sekunden das Nachsehen gehabt, sondern sich selbst zum König der Vuelta krönen können.

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