Das Irrlicht führt durch den Sumpf nach Hause

Internationale Märchenkonferenz in Senftenberg - Märchentage in Berlin

  • Kerstin Lange
  • Lesedauer: 2 Min.

Unsichtbare Helfer gibt es an allen Orten der Welt. Sie speisen unsere kollektive Intelligenz. Wie könnten sonst die Dampfmaschine und das Radio an mehreren Orten gleichzeitig erfunden worden sein? Die Helferwesen treiben uns zu Erkenntnissen. 1920 wurde die Schreibblockade in Amerika erfunden, seitdem dürfen viele Erfahrung mit ihr machen, so Professor Elmar Schenkel von der Universität Leipzig. Kürzlich standen die unheimlichen Begleiter im Zentrum einer internationalen Konferenz der Märchenfreunde in Senftenberg.

Märchen mögen sich in ihren Inhalten und Handlungssträngen gleichen, ihre Helden, Landschaften und Bräuche allerdings sind verschieden. So gibt es in den Märchen der Ober- und Niederlausitz keine Könige und Herren, keine höfische Literatur, weil es den Adel nicht gab. Luther äußerte sich abfällig über die Sorben. Er nannte sie das erbärmlichste Volk in Deutschland, dem man Ordnung beibringen müsse.

500 Jahre später holte sich Senftenberg für fünf Tage den Internationalen Kongress der Europäischen Märchengesellschaft in die Stadt, und Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD) erzählte in der Neuen Bühne den 280 begeisterten Märchenerzählern und Interessierten die Wandlungsmär der gesegneten Heide, die vom fluchbeladenen Braunkohletagebau zerschunden wurde und seit 1973 als Lausitzer Seenland den Segen einer Tourismusregion genießt. Das Senftenberger Theater, das 2005 Theater des Jahres war, kooperiert nun mit dem Deutschen Theater in Berlin in einem für Februar 2012 vorgesehenem Stück »Oder Bruch«. Interviews mit Zeitzeugen der Oderflut im Jahr 1997 sollen dramaturgisch entwickelt werden.

Der Senftenberger Theaterintendant Sewan Latchinian hat an der Schauspielschule »Ernst Busch« in Berlin studiert, dort als Dozent und neun Jahre am Deutschen Theater gearbeitet. Aber nicht nur die Theaterwelle schwappt zwischen Berlin und Lausitz hin und her. Vom 10. bis zum 27. November wird die Bundeshauptstadt zur Bühne der 22. Berliner Märchentage. Dann werden Märchen lebendig und mit ihnen die unsichtbaren Helferwesen.

Heimliche und Unheimliche Begleiter gibt es in der sagenumwobenen Lausitz genug: das Irrlicht (sorbisch »Bludnik«), das verirrte Bauern und Kinder in der Dunkelheit durch den Sumpf nach Hause führt, der Hauskobold, die Mittagsfrau, der Wassermann, die Lutkis, der Plon, von denen der Märchenforscher Max Lüthi sagen würde, »dass sie als Wesensmächte der Welt im engen Kontakt zum Märchenhelden stehen« und ihm zum segensreichen Ende verhelfen: »Und wenn sie nicht gestorben sind ?«

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