Abschied und Kommen

Strittmatter-Woche im Berliner Literaturforum

  • Ulrike Grohmer
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Publikum im Literaturforum des Berliner Brecht-Hauses war auch zur fünften Veranstaltung zum 90. Geburtstag von Erwin Strittmatter, geboren am 14. August 1912, überaus zahlreich erschienen. Kein Wunder, las am vergangenen Freitag doch Eva Strittmatter, Jahrgang 1930, zum Abschluss der Reihe ihre Gedichte. Und die wollten so viele Menschen hören, dass 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung niemand mehr in den nicht allzu geräumigen Saal hinein konnte. So galt denn auch das »bitte nicht bewegen« von Moderator Paul Werner Wagner nicht allein den glücklichen Nutzern der Notsitze auf der Empore, sondern auch denen, die einen Sitzplatz im Saal gefunden hatten, und jenen, die sich im Eingangsbereich drängten. Geduldig signierte die Autorin vor Beginn der Veranstaltung ihre Gedicht- und Erinnerungsbände für die Besucher und verriet ihnen, warum sie eine besondere Beziehung zum Brechtschen Wohnhaus hat. Hier hatte die ausgebildete Germanistin gemeinsam mit ihrem Mann, den sie 1952 kennen lernte, gelegentlich Bertolt Brecht besucht, bevor er 1956 starb. Brecht ließ sich von der jungen Frau über Gegenwartsliteratur informieren, verpflichtete sie zu Auskünften und damit zur Lektüre aller Neuerscheinungen. Jenseits aller Vorstellung sei für sie damals allerdings der Gedanke gewesen, 50 Jahre später in diesen Räumen eigene Gedichte vorzutragen, die ja auch unter dem Einfluss der späten Lyrik von Bertolt Brecht entstanden sind. Sagt es, lässt die Uhr von Erwin Strittmatter läuten und beginnt mit der Lesung ihrer scheinbar so einfachen Verse - Gedichten über die grundlegenden Dinge des Lebens und ihren Zusammenhang. Da heißt es dann zum Beispiel in »Anfang der Liebe«: »...Erst wenn man weiß, dass sie enden kann, hat man den Anfang der Liebe erreicht.« Eva Strittmatter, die in ihrer Lyrik auf Harmonie und Ausgleich setzt, liest an diesem Abend ruhig und bestimmt. Sie liest Liebesgedichte, betrachtet die sie umgebende Natur und betrachtet den Menschen als ein natürliches Wesen. Offenbart sich als eine selbstbewusste Frau, die unaufgeregt, aber nicht leidenschaftslos von sich erzählt - vom Zusammensein mit dem Gefährten ihres Lebens, von Freuden und Zurückweisungen der Liebe, vom Älterwerden, von Abschieden und immer neuem Ankommen. Während der Woche zu Ehren des Schriftstellers Erwin Strittmatter hatten sich zuvor im Literaturforum im Brecht-Haus zum Beispiel der Dresdner Maler Hubertus Giebe und Regisseur Jo Baier zum »Nachdenken über Erwin Strittmatter« getroffen, hatten Käthe Reichel, Simone Barck und Günther Drommer sich unter dem Aspekt »Gesellenjahre bei Brecht« über Strittmatters Stück »Katzgraben« verständigt, war auch der 1957 entstandene DEFA-Kinderfilm »Tinko« nochmals zu sehen.

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