Warum aus der Kündigung eine Abmahnung wurde

Der Fall »Emmely« und die Folgen für Bagatellkündigungen (Teil 1)

Seit über einem Jahr existiert die Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Bagatellfällen, bekannt als »Emmely-Urteil«. Es änderte eine jahrzehntelange Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gegen Arbeitnehmer, die sich geringer Vermögensdelikte gegen ihre Arbeitgeber haben zu schulden kommen lassen. Was ist aus der Neuorientierung durch das BAG geworden? Welche Wirkungen im Arbeitsleben zeigten sich? Unser Autor Prof. Dr. JOACHIM MICHAS geht in einem zweiteiligen Beitrag diesen Fragen nach.

Zur Erinnerung: Im Juni 2010 entschied das BAG in letzter Instanz den Fall »Emmely«. Eine über 30 Jahre in der Firma beschäftigte Kassiererin (symbolisch »Emmely«) unterschlug unter etwas eigenartigen Umständen zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro. Sie wurde fristlos entlassen und klagte sich durch alle Arbeitsgerichtsinstanzen.

Die Instanzgerichte bestätigten die Entlassung und folgten damit der seit 1984 gängigen Rechtsprechung in Bagatellfällen. In dem Fall von 1984 verzehrte eine Verkäuferin unerlaubt ein Stück Bienenstich und flog fristlos aus dem Job, was die Gerichte später fortlaufend in solchen Fällen überwiegend bestätigten.

Hauptbegründung: Diebstahl ist Diebstahl, auf den Wert komme es nicht an. Vielmehr sei dadurch ein Vertrauensverlust eingetreten, der die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber unzumutbar machte (§ 626 BGB). Diese auch variierte Rechtsprechung dauerte über 25 Jahre, ohne dass die Öffentlichkeit dav...


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