Links und Rechts in einem Topf

Konservative Stiftung diskutierte »Extremismus«

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 2 Min.

Passend zur aktuellen Debatte in Deutschland um die Bedrohung der Demokratie durch rechtsextremen Terror hatte die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung zusammen mit der konservativen Denkfabrik Zentrum für Europäische Studien dieser Tage in Brüssel zu einer Diskussionsrunde mit alarmierendem Titel geladen: »Angriff auf Europa: Zur wachsenden Gefahr von Populismus und Extremismus in Europa«. Ein Blick auf die Geschichte sollte geworfen werden: Nach dem Scheitern der Ideologien von Rechts und Links im 20. Jahrhundert wollten die Teilnehmer der Frage nachgehen, warum »extremes Gedankengut« nicht totzukriegen ist und immer noch fast überall begeisterte Anhänger findet. Und warum das eine Gefahr für die EU sei.

Der Boden war also bereitet für eine spannende Diskussion - die aber enttäuschte. Warum? Zunächst fehlte eine Definition dessen, was als »extrem« zu verstehen sei. Erst die Redebeiträge machten deutlich, dass das Wort in einem engen, vielleicht typisch bürgerlichen Verständnis ausgelegt wurde. Extrem, das waren für das Podium die deutschen Linken ebenso wie die französische Front National (FN). Jeder dieser beiden Parteien wurde ein Referat gewidmet. Joachim Zeller (CDU), zwischen 1996 und 2006 Bürgermeister von Berlin-Mitte, stellte die Linke und ihre DDR-Wurzeln vor, der französische Extremismusforscher Patrick Moreau die FN. Letzterer verwies auf das jüngst von der neuen Parteichefin Marine Le Pen vorgestellte Programm zur französischen Präsidentschaftswahl, das rassistische Äußerungen enthält. Und in der deutschen Linken gäbe es Mitglieder, die sich ein anderes politisches System als das heutige wünschen. Doch ist das »extrem«? Gerade angesichts dessen, was jetzt in Deutschland über die rechte Szene bekannt wird? Oder in Norwegen im Sommer geschah, als ein rechtsgerichteter Täter junge Menschen gleich dutzendweise erschoss? Darf das alles in denselben Topf geworfen werden? Eine klare Verneinung hätte hier notgetan.

Schließlich enttäuschte die Debatte auch mit dem Rezept, das die Redner gegen die Bedrohung anboten. »Wir brauchen glaubwürdige Führer«, sagte der griechische Politologe Manos Papazoglou. Also Personen, die den Menschen die Richtung weisen, sie begeistern, sie mitnehmen können auf die Reise in eine europäische Demokratie. Keinem fiel dabei auf - oder keiner sprach es aus - dass nicht zuletzt mit diesem Konzept radikale Gruppen ihre Erfolge feiern.

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