Verpartnert - und wieder aufgehoben

Erste eingetragene Partnerschaft »geschieden«

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor einem Jahr trat das Lebenspartnerschaftsgesetz, die so genannte Homo- Ehe, in Kraft. Nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) gab es bislang rund 4500 Trauungen. Nun ging die erste Homo-Scheidung über die Bühne, rechtlich “Aufhebung” genannt.
Plötzlich kracht es und Gegenstände fliegen durchs Zimmer. Dann stürzt sich einer der beiden Partner auf den anderen und verprügelt ihn. Dieser wehrt sich, wird aber der Lage nicht ganz Herr. So oder ähnlich muss es sich wohl zugetragen haben in einem Wohnzimmer in der Stadt Oldenburg. Das Besondere: Die beiden »Eheleute« sind Männer, die kurz nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) geheiratet hatten. Aus Liebe, wie sie damals öffentlich bekundeten. Wenige Monate später ist die Ehe zerrüttet. Im Mai verhandelte das Familiengericht Oldenburg die erste Homo-Scheidung, die erste »Aufhebung«. Nun sind auch die Lesben und Schwulen, die sich getraut haben oder noch trauen wollen, im Eherechtsalltag angekommen. Wer heiratet, muss auch damit rechnen, dass es zur Scheidung kommt und dann auch all jene Hürden nehmen, die Heterosexuelle überspringen müssen, warnten vor Einführung der Homo-Ehe deren Kritiker. Und das hieße - unabhängig von der annähernden Gleichstellung, die homosexuelle Paare durch eine Verpartnerung gegenüber heterosexuellen Eheleuten gewinnen - eben auch »Scheidungsstress«, Anfeindungen, Anwaltskosten, Aufregungen. Anders als bei Trennungen von Beziehungen ohne Trauschein mischen bei Scheidungen und Aufhebungen die Gerichte mit: Gütertrennungen werden öffentlich verhandelt, Vollmachten aufgelöst und Räumungsbescheide ausgeprochen. Und durch einzuhaltende Gesetzesfristen können sich diese Verfahren länger hinziehen, als den Trennungswilligen mitunter lieb ist. Die beiden schwulen Männer machten vor Gericht geltend, dass sie in der Fortsetzung der eingetragenen Lebenspartnerschaft keine Zukunft sähen und sie sogar eine unzumutbare Härte darstelle. Einer der beiden erklärte, dass er von seinem Partner »nur ausgenutzt« worden sei und deshalb unter keinen Umständen mit ihm länger rechtlich verbunden bleiben könne. Der andere sagte, er sei geschlagen sowie sexuell und seelisch ausgebeutet worden. Wohl niemand hat damit gerechnet, dass ausgerechnet die erste Homo-Scheidung so dramatisch abläuft. »Aufgrund dieser Härte verweigern beide Klienten eine Aussage gegenüber der Presse und untersagen die Nennung ihrer Namen«, sagte Markus Danuser, Rechtsanwalt der einen Partei. Das Gericht zeigte laut Danuser wenig Interesse, den Fall bis ins kleinste Detail zu beleuchten und hob nach fünf Verhandlungsminuten die Lebenspartnerschaft auf. Vermutlich auch, weil es noch keine Erfahrungen gibt. Das Besondere an diesem Fall: Die Aufhebung erfolgte bereits vor Ablauf des rechtlich notwendigen Trennungsjahres. Im LPartG wurde wie bei heterosexuellen Ehen ein Trennungsjahr festgelegt, das durch eine offizielle Erklärung eines Partners eingeleitet werden muss. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, vielleicht doch wieder zusammenzufinden. Beim Oldenburger Fall wurde auf Grund der anerkannten Härte auf das Trennungsjahr verzichtet. Künftige Fälle werden voraussichtlich nicht so schnell entschieden. Anwalt Danuser geht davon aus, dass sich die Gerichte bald an das »exotisch anmutende Thema gewöhnt haben« und dann genau prüfen würden, ob die Bedingungen für eine Homo-Scheidung auch erfüllt sind.
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