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Ein aufrechter Christ
Joseph Rossaint zum 100. Geburtstag
Da kommt ein katholischer Geistlicher nach acht Jahren faschistischer Haft im Zuchthaus Lüttringhausen zu seinem Erzbischof und Kardinal in Köln und bittet darum, wieder eine Pfarrei übertragen zu bekommen. Gut, sagt der Erzbischof, das lässt sich machen. Aber nur dann, wenn du alle Beziehungen zu diesen gottlosen Kommunisten abbrichst, mit denen du all die Jahre im Zuchthaus zusammen warst. Jede politische Tätigkeit sei dir in Zukunft untersagt.
Die Geschichte hat sich so zugetragen. Der Rostocker Historiker Karl Heinz Jahnke und Alexander Rossaint schildern sie in ihrem soeben erschienenen Buch über den Geistlichen Dr. Joseph Rossaint, geboren am 2. August 1902.
Am 29. Januar 1936, unmittelbar nach Beendigung eines Gottesdienstes, war er als führendes Mitglied des Katholischen Jungmännerbundes in Düsseldorf verhaftet worden. Am 28. April 1937 wurde er vom Volksgerichtshof im Berliner Katholikenprozeß »wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen« zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Was unter »erschwerenden Umständen« zu verstehen war, ließ sich aus Schlagzeilen der braunen Presse ablesen: »Ein katholischer Kaplan verbreitet Gräuelmärchen über Deutschland und hetzt gegen die Wehrpflicht.« Oder: »Kommunisten "schulen" Jungkatholiken. Die Beziehungen kommunistischer Hetzer zu dem katholischen Kaplan. Sie trafen sich im Kölner Dom.« Propagandaminister Joseph Goebbels hatte sich massiv für die Verurteilung des »Sowjetapostels« eingesetzt: »Dieses Gezücht muss man mit Stumpf und Stil ausrotten.«
Rossaint, der tiefgläubige Katholik, der auch vor dem Volksgerichtshof seine Beziehungen zu führenden Funktionären des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), darunter Ewald Kaiser und Max Reimann, nicht verleugnet und sich nachdrücklich als Gegner des Faschismus, »der das Chaos bedeutet, weil er zum Kriege führt«, bekannt hatte, lehnte das Ansinnen des Erzbischofs Kardinal Josef Frings ab. Er wirkte fortan als antifaschistischer Publizist, gehörte zu den Gründern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), war über Jahre einer ihrer Präsidenten und von 1990 bis zu seinem Tode im April 1991 ihr Ehrenpräsident.
Herausragende Persönlichkeiten wie Rossaint und ihre Rolle im antifaschistischen Widerstand sind heute - sofern da auch noch ein »linker« Bezugspunkt ist - nicht sehr gefragt. Das Historische Archiv des Erzbistums Köln gewährte Jahnke und Alexander Rossaint, Neffe von Joseph Rossaint, keinen Zugang. Kein Wunder, bedenkt man, dass die Kirchenleitungen Rossaint und seine Freunde während der Verfolgung fast völlig allein ließen und ihn sogar vorverurteilten:
Kardinal Faulhaber, der sich als Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz am 4. November 1936 mit Hitler getroffen hatte, distanzierte sich dabei massiv von den Hitlergegnern in der Kirche: »Auch wenn irgendwo ein Kaplan im Westen des Reiches oder ein Prälat in Böhmen oder, wie der Herr Reichskanzler sagte, ein Priester in Katalonien sich versöhnlich über den Bolschewismus äußern - Einzelentgleisungen wird es immer geben -, kann ich Sie versichern, Herr Reichskanzler, dass alle deutschen Bischöfe und alle amtlichen Stellen der Kirche davon überzeugt sind, der Bolschewismus kann nur Chaos und Ruin des religiösen Lebens bringen, und dass sie mit allen kirchlichen Mitteln, ohne ins Politische sich zu verirren, gegen den Bolschewismus anzukämpfen bereit sind.«
Mehr noch. Unmittelbar nach der Verurteilung Rossaints und sechs weiterer Mitglieder des Katholischen Jungmännerbundes veröffentlichte dessen Leitung im Sommer 1937 eine Stellungnahme, in der zur »Pflege vaterländischer Gesinnung und Abwehr bolschewistischer Gedanken und Bestrebungen« und offen zur Denunziation aufgerufen wurde: »Es sei noch einmal darauf aufmerksam gemacht, wie in dem Rundschreiben von 1935, dass etwaige kommunistische Annäherungsversuche an einzelne nicht nur abzulehnen, sondern anzuzeigen wären, und dass kommunistische Drucksachen, die etwa auf irgendeinem Weg zugestellt werden, nicht zu vernichten, sondern der Polizei zu übergeben sind.«
Im April 1958, 21 Jahre nach seiner Verurteilung durch den »Volksgerichtshof«, trug Rossaint die bittere Erkenntnis seiner Nachkriegserfahrungen in sein Tagebuch ein: »In Deutschland ist die Tatsache, gegen den Nationalsozialismus gekämpft zu haben, irgendwie ein Makel.«
Karl Heinz Jahnke/Alexander Rossaint: Hauptangeklagter im Berliner Katholikenprozess 1937. Kaplan Dr. Joseph Cornelius Rossaint. Verlage für Akademische Schriften, ...
Die Geschichte hat sich so zugetragen. Der Rostocker Historiker Karl Heinz Jahnke und Alexander Rossaint schildern sie in ihrem soeben erschienenen Buch über den Geistlichen Dr. Joseph Rossaint, geboren am 2. August 1902.
Am 29. Januar 1936, unmittelbar nach Beendigung eines Gottesdienstes, war er als führendes Mitglied des Katholischen Jungmännerbundes in Düsseldorf verhaftet worden. Am 28. April 1937 wurde er vom Volksgerichtshof im Berliner Katholikenprozeß »wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen« zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Was unter »erschwerenden Umständen« zu verstehen war, ließ sich aus Schlagzeilen der braunen Presse ablesen: »Ein katholischer Kaplan verbreitet Gräuelmärchen über Deutschland und hetzt gegen die Wehrpflicht.« Oder: »Kommunisten "schulen" Jungkatholiken. Die Beziehungen kommunistischer Hetzer zu dem katholischen Kaplan. Sie trafen sich im Kölner Dom.« Propagandaminister Joseph Goebbels hatte sich massiv für die Verurteilung des »Sowjetapostels« eingesetzt: »Dieses Gezücht muss man mit Stumpf und Stil ausrotten.«
Rossaint, der tiefgläubige Katholik, der auch vor dem Volksgerichtshof seine Beziehungen zu führenden Funktionären des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), darunter Ewald Kaiser und Max Reimann, nicht verleugnet und sich nachdrücklich als Gegner des Faschismus, »der das Chaos bedeutet, weil er zum Kriege führt«, bekannt hatte, lehnte das Ansinnen des Erzbischofs Kardinal Josef Frings ab. Er wirkte fortan als antifaschistischer Publizist, gehörte zu den Gründern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), war über Jahre einer ihrer Präsidenten und von 1990 bis zu seinem Tode im April 1991 ihr Ehrenpräsident.
Herausragende Persönlichkeiten wie Rossaint und ihre Rolle im antifaschistischen Widerstand sind heute - sofern da auch noch ein »linker« Bezugspunkt ist - nicht sehr gefragt. Das Historische Archiv des Erzbistums Köln gewährte Jahnke und Alexander Rossaint, Neffe von Joseph Rossaint, keinen Zugang. Kein Wunder, bedenkt man, dass die Kirchenleitungen Rossaint und seine Freunde während der Verfolgung fast völlig allein ließen und ihn sogar vorverurteilten:
Kardinal Faulhaber, der sich als Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz am 4. November 1936 mit Hitler getroffen hatte, distanzierte sich dabei massiv von den Hitlergegnern in der Kirche: »Auch wenn irgendwo ein Kaplan im Westen des Reiches oder ein Prälat in Böhmen oder, wie der Herr Reichskanzler sagte, ein Priester in Katalonien sich versöhnlich über den Bolschewismus äußern - Einzelentgleisungen wird es immer geben -, kann ich Sie versichern, Herr Reichskanzler, dass alle deutschen Bischöfe und alle amtlichen Stellen der Kirche davon überzeugt sind, der Bolschewismus kann nur Chaos und Ruin des religiösen Lebens bringen, und dass sie mit allen kirchlichen Mitteln, ohne ins Politische sich zu verirren, gegen den Bolschewismus anzukämpfen bereit sind.«
Mehr noch. Unmittelbar nach der Verurteilung Rossaints und sechs weiterer Mitglieder des Katholischen Jungmännerbundes veröffentlichte dessen Leitung im Sommer 1937 eine Stellungnahme, in der zur »Pflege vaterländischer Gesinnung und Abwehr bolschewistischer Gedanken und Bestrebungen« und offen zur Denunziation aufgerufen wurde: »Es sei noch einmal darauf aufmerksam gemacht, wie in dem Rundschreiben von 1935, dass etwaige kommunistische Annäherungsversuche an einzelne nicht nur abzulehnen, sondern anzuzeigen wären, und dass kommunistische Drucksachen, die etwa auf irgendeinem Weg zugestellt werden, nicht zu vernichten, sondern der Polizei zu übergeben sind.«
Im April 1958, 21 Jahre nach seiner Verurteilung durch den »Volksgerichtshof«, trug Rossaint die bittere Erkenntnis seiner Nachkriegserfahrungen in sein Tagebuch ein: »In Deutschland ist die Tatsache, gegen den Nationalsozialismus gekämpft zu haben, irgendwie ein Makel.«
Karl Heinz Jahnke/Alexander Rossaint: Hauptangeklagter im Berliner Katholikenprozess 1937. Kaplan Dr. Joseph Cornelius Rossaint. Verlage für Akademische Schriften, ...
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