Sensationsfund im Kartoffelacker

Archäologen entdeckten bei Biesenbrow in der Uckermark acht uralte Goldmünzen

Das 5. bis 7. Jahrhundert gelten als dunkles Zeitalter, weil Historiker darüber vergleichsweise wenig wissen. Doch jetzt kann wahrscheinlich ein bisschen mehr Licht in diese Epoche gebracht werden. Warum? Auf einem Kartoffelacker bei Biesenbrow in der Uckermark wurden acht Goldmünzen entdeckt. Es handelt sich um einen spektakulären Fund. Darüber informierte gestern Felix Biermann von der Universität Göttingen. Der Archäologe hatte sich auf die Spuren eines mysteriösen Schatzes begeben und ihn ausfindig gemacht.

Unter den römischen und byzantinischen Münzen befindet sich auch eine mit dem Abbild von Theudebert I., einem König aus dem Geschlecht der Merowinger. Er beherrschte von 533 bis 548 ein fränkisches Teilreich, zu dem Metz und Köln gehörten. Theudebert fand nicht nur Eingang in die Weltliteratur - er ist das Vorbild für die Gestalt des Dietrich von Bern im Nibelungenlied -, sondern er ließ auch als erster Germanenfürst eigene Goldmünzen prägen, auf denen er nach oströmischer Sitte dargestellt ist. Die Kunde davon drang damals bis ins ferne byzantinische Reich und sorgte dort bei einem Geschichtsschreiber für Empörung, denn das Recht, Purpur zu tragen und solche Münzen zu schlagen, hätten schließlich nur die Kaiser.

531 schlug ein fränkisches Heer, dass der damalige Königssohn Theudebert führte, in einer Schlacht an der Unstrut die Truppen des thüringischen Königs Herminafried. Dieser floh und verbarg sich einige Jahre, bevor er in eine Falle gelockt und ermordet wurde. Die Gegend des Kartoffelackers bei Biesenbrow könnte Herminafrieds Versteck gewesen sein, die acht Münzen könnten zu seinem Schatz gehört haben, spekuliert Archäologe Biermann.

Die Uckermark des 6. Jahrhunderts gilt eigentlich als unbewohnt. Doch Fibeln und andere Stücke, die bei der Ausgrabung im November gefunden wurden, deuten darauf hin, dass sich hier an einem kleinen Teich eine Siedlung befand. Der gewählte Ort ist untypisch. Menschen jener Zeit wählten eigentlich andere Aufenthalte. Dies spricht dafür, dass es sich um einen geheimen Zufluchtsort handelte. Dass die Erde der Uckermark einen bedeutenden Schatz verbirgt, war schon vor mehr als 100 Jahren bekannt. Nur wusste inzwischen niemand mehr, wo genau er liegt. Landarbeiter waren 1885 beim Pflügen auf einen Tonkrug mit Münzen gestoßen. Dabei hatte der Pflug das Gefäß zerstört und die Münzen in der Ackerkrume verteilt. So kam es, dass die Landarbeiter nicht alle Stücke sahen und auflasen. Sie verkauften das meiste zum Einschmelzen an Goldschmiede.

Dem Münzkabinett und dem Märkischen Museum in Berlin gelang es nur noch, lediglich vier der Goldmünzen zu erwerben und aufzubewahren. Dazu wurde ein Bericht des Angermünder Schulmeisters Dalichow überliefert. Dieser sprach von mindestens 200 Goldmünzen auf einem Feld »bei der Hintermühle«. Doch Dalichow schrieb in einem blumigen Stil und bezeichnete den Ort nicht konkret genug. Darum, und weil der Fund von 200 derartigen Goldmünzen eine schier unglaubliche Sensation gewesen wäre, vertraute man den Angaben des Schulmeisters lange nicht.

Biermann fand jedoch im Archiv neben dem Bericht zwei Briefe Dalichows. In einem davon hatte der Schulmeister den Besitzer des Ackers genannt. Durch Nachforschungen in den Akten des Katasteramtes gelang es, die Suche auf eine 400 mal 800 Meter große Fläche einzugrenzen. Hier machten sich freiwillige Helfer mit Schaufeln und Metallsonden ans Werk.

Jetzt bestehe keine Zweifel mehr daran, dass Dalichow die Wahrheit gesagt hatte, meint Biermann. Damit könne ausgeschlossen werden, dass die Münzen durch Handel oder Plünderung in die Uckermark gelangten, denn dazu sei der Schatz zu groß, heißt es.

Im byzantinischen Reich hatten die Münzen einst einen großen Wert, vergleichbar mit heutigen 500-Euro-Scheinen, erläuterte Bernd Kluge, Direktor des Berliner Münzkabinetts. In der Gegend des heutigen Landes Brandenburg hätte man jedoch nichts dafür kaufen können, weil solche Zahlungsmittel dort nicht verwendet wurden. Kein Bauer hätte einen Ochsen oder auch nur ein Schaf dafür gegeben. Allenfalls als Statussymbol eines Herrschers könnten die Münzen gedient haben, denn so sind sie damals auch außerhalb des byzantinischen Imperiums gebraucht worden. Vielleicht war es ja wirklich der Schatz des Herminafried. Kluge jedenfalls findet diese Vermutung Biermanns gar nicht so abwegig.

Wenn man die Theudebert-Münze bei einer Auktion versteigern würde, läge das Mindestgebot wohl bei 50 000 Euro, vermutet der Experte. Ihm ist kein zweites Exemplar aus dieser vermutlich frühen Prägung gegenwärtig. Insgesamt gibt es nur wenige Theudebert-Münzen.

Brandenburgs Landesarchäologe Franz Schopper hegt natürlich keinesfalls Absichten, die seltenen, je 4,4 Gramm schweren Goldmünzen zu veräußern. Sie sollen demnächst, noch im Januar, erstmalig im Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster von Brandenburg/Havel der Öffentlichkeit gezeigt werden. Dort sollen sie auch dauerhaft verbleiben. Allerdings ist vorgesehen, sie zwischendurch im alten Prenzlauer Dominikanerkloster auszustellen. Wahrscheinlich wird dies im Spätsommer geschehen. Ein genauer Termin steht aber noch nicht fest.

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