Ökonomie im Fokus

Enquetekommission beschäftigte sich mit der Wirtschaftspolitik

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendezeit löste sich am Freitag zumindest zeitweilig von vordergründig ideologischen Themen. Es ging im ersten Teil der Sitzung also ausnahmsweise einmal nicht um die Frage, wer in Brandenburg ein Rechtgläubiger ist und wer falsches Denken im Hirn hat, sondern um eine Bewertung der Wirtschaftspolitik des Landes seit 1990.

Wenn 23 Jahre nach der Wende das Land Brandenburg gerade einmal die Hälfte von dem erwirtschaftet, was es selbst verbraucht, dann können die Rezepte nicht die besten gewesen sein, welche dem Bundesland einst verschrieben worden sind. Davon konnte das Gutachten »Analyse der Schlüsselentscheidungen im Bereich der Wirtschaftspolitik« nicht abstrahieren. Die Wissenschaftler Karl Brenke, Udo Ludwig und Joachim Ragnitz legten dieses Gutachten vor.

Im Vergleich ist zu beachten, dass die beiden dynamischsten Volkswirtschaften auf der Erde, gemeint sind die chinesische und die vietnamesische, zu Staaten gehören, die immer noch von einer kommunistischen Partei gelenkt werden. Während dortzulande eine erfolgreiche Überprüfung des sowjetischen, zentralistischen Wirtschaftsmodells stattgefunden hat, wurde dieses Wirtschaftsmodell mit der Wende in Brandenburg abgeschafft - mit keineswegs berauschenden Ergebnissen, wie die Kommission zur Kenntnis nehmen musste.

Dem Gutachten zufolge handelt es sich aber um kein spezifisch brandenburgisches, sondern um ein ostdeutsches Merkmal. Auch sonst weist das Bundesland in allen wesentlichen Gesichtspunkten »überhaupt keinen Unterschied« zu den anderen ostdeutschen Ländern auf. Überall kam es zu »ungefähr gleichen« Ergebnissen, die gleich schlecht genannt zu werden verdienen.

Damit wurde der permanente Vorwurf, zu den Zeiten von Sozialministerin Regine Hildebrandt und Ministerpräsident Manfred Stolpe (beide SPD) sei Brandenburg eine »kleine DDR« gewesen, ins Reich der Legenden verwiesen. Keineswegs wurde in Brandenburg, wie die CDU meint, in irgendeiner Form der »Staatssozialismus« fortgeführt. Vielmehr arbeiteten die Wissenschaftler heraus, dass der Einfluss der Landespolitik - entgegen ihrer eigenen Darstellung - auf die tatsächlichen Entwicklungen sehr gering ist und ganz andere, meist äußere Einflüsse den Ausschlag geben.

Der Kampf um die Erhaltung von Arbeitsplätzen hatte die 1990er Jahre geprägt. Es ging um die Bewahrung industrieller Kerne um beinahe jeden Preis. Großprojekte des Landes waren mitunter erfolgreich, Stichworte sind hier der Schienenfahrzeughersteller Bombardier in Hennigsdorf, die PCK Raffinerie in Schwedt oder das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt. Nicht geklappt hat es beispielsweise mit der Chipfabrik in Frankfurt (Oder), mit Cargolifter in Brand und mit dem Bau einer Transrapidstrecke von Hamburg nach Berlin.

Das Streben der SPD-Landesregierungen, Entwicklung in die Fläche zu tragen, sei so ehrenwert wie tendenziell wirkungslos gewesen, heißt es. Industrielle Kerne, die auch mal Entwicklungszentren oder Wachstumskerne hießen, haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Das Land bietet heute das Bild einer Zweiteilung in ein durchaus prosperierendes Berliner Umland und sich entleerende »Territorien« in den Landesweiten.

Unterhalten fühlten sich die Anwesenden dann noch von der Information, dass heute im staatlichen und öffentlichen Sektor Brandenburgs zehn Prozent mehr Leute arbeiten als zu DDR-Zeiten. Dagegen sank der Beschäftigtenumfang in der Wirtschaft auf 80 Prozent des DDR-Standes.

Obwohl sich im Bundesland ein ausgesprochen niedriges Lohnniveau gehalten hat, verdienen Brandenburger im Schnitt immer noch deutlich besser als andere Ostdeutsche. »Vermögende sind zugewandert«, vermerkt der Bericht.

Nicht überraschend ist, dass der Anteil der Sozialleistungen am ohnehin dürftigen Einkommen - verglichen mit Weststandard - bedeutend ist. Als einzigen wirklichen Vorteil kann Brandenburg die Nähe zur Bundeshauptstadt Berlin ausspielen. Jeder sechste Euro wird von einem Pendler verdient, der in Brandenburg lebt, aber zur Arbeit nach Berlin fährt.

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