Weder NPD noch Heim in Rauen

Längst sind die Nazis aus dem Gut Johannesberg in Rauen (Oder-Spree) verscheucht. Stattdessen sollte dort ein Kinderheim eingerichtet werden. Daraus wird aber nichts. Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) gibt den Plan auf. Begründet wird dies mit der Ablehnung des Vorhabens durch die Dorfbewohner und mit wiederholten negativen Stellungnahmen der Gemeindevertretung.

»In einer so angeheizten Atmosphäre könnten wir nicht mehr gewährleisten, dass die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen in die Dorfgemeinschaft von Rauen integriert werden, hier zur Schule gehen und sich sicher fühlen können«, erklärte EJF-Jugendreferentin Sigrid Jordan-Nimsch gestern.

Der EJF-Vorstandsvorsitzende Siegfried Dreusicke äußerte sich enttäuscht über die seiner Ansicht nach mangelnde Unterstützung des sozialpädagogischen Projekts durch den ehrenamtlichen Bürgermeister Sven Sprunghofer. »Von einem Mann, der sogar eine leitende Funktion in der Diakonie ausübt, hätte ich erwartet, dass er sich für eine Einrichtung für sozial benachteiligte Kinder stärker einsetzt«, sagte Dreusicke.

2007 hatte die Frau des niedersächsischen NPD-Funktionärs Andreas Molau das Gut Johannesberg unter dem Deckmantel einer schwedischen Firma erworben. Als sich herausstellte, dass die neofaschistische NPD dort ein Schulungszentrum einrichten wollte, stornierte der ursprüngliche Eigentümer den Kaufvertrag und veräußerte das Gut stattdessen an die Zahnärztin Rosemarie Arenstedt und ihren Schwager. Diese beiden vertrieben die NPD, die sich schon eingenistet hatte, im Mai 2008 mit einer Räumungsklage. Nun sollte ein soziales Projekt einziehen. Es entstand die Idee eines geschlossenen Heims für jugendliche Straftäter, wie es vom EJF auch in Frostenwalde in der Uckermark betrieben wird.

Doch das 20 Hektar große Objekt ist im Flächennutzungsplan für Erholung und Gastronomie vorgesehen und die Gemeindevertretung weigerte sich nach Darstellung des Fürsorgewerks, den Flächennutzungsplan zu ändern. Auch der Umbau zu einem Erholungsheim für vernachlässigte Kinder sei abgelehnt worden.

Gegen die NPD haben die Bürger nicht protestiert, beschwerte sich Zahnärztin Arenstedt. Sie sei empört, dass die Bevölkerung das Kinderheim nicht wolle. Arenstedt vermutet, dass es im Dorf eine latente Ausländerfeindlichkeit gibt. Anders kann sie sich das Verhalten der Menschen nicht erklären.

Bürgermeister Sprunghofer wies die Vorwürfe zurück. Er hätte persönlich nichts gegen ein Heim einzuwenden gehabt, versicherte er. Doch das EJF sei »unprofessionell aufgetreten« und habe sich damit als Partner disqualifiziert. So sei erst ein Konzept vorgelegt, dann zurückgezogen und ein neues eingereicht worden. Weitere Pläne habe er nur noch aus der Zeitung erfahren, berichtete Sprunghofer. Unmöglich sei, dass EJF-Vorstandschef Dreusicke versucht habe, mit einem Brief an seinen Arbeitgeber, die Diakonie, Druck auszuüben.

Freilich habe es Bürger gegeben, die Unterschriften sammelten, weil sie kriminelle Jugendliche nicht im Dorf haben wollten, räumte Sprunghofer ein. Ein Kinderheim wäre aber vielleicht möglich gewesen, wenn das EJF anders agiert hätte. Die Rauener in die rechte Ecke zu stellen, wie Zahnärztin Arenstedt es tue, sei »dreist«. Rauen wollte die NPD nicht haben, beteuerte Sprunghofer. Er verwies darauf, dass ein NPD-Kandidat bei der Kommunalwahl nicht genügend Stimmen erhielt, um ins Gemeindeparlament einzuziehen.

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