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Das Gesicht

Mike Leigh - der Filmregisseur ist Vorsitzender der Internationalen Jury der Berlinale 2012

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 2 Min.

Keine Ahnung, sagt Mike Leigh auf die Frage, welcher seiner Filme tragisch ist und welcher komisch. Seine Spielfilme seien wie das Leben: eine schrecklich tragische Komödie. »Das Leben ist komplex, schwierig, reich, harte Arbeit.« Mike Leigh, 1943 in Salford, einem Arbeiterviertel bei Manchester, als Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester geboren, ist ein genauer Menschenbeobachter. Seine Charakterzeichnungen sind lebensklug und fein bis in kleinste Details. Und seine Figuren, die er agieren lässt in der gerade seit der Thatcher-Ära klar in Oben und Unten geteilten englischen Gesellschaft und für die er alle Sympathien hegt: es sind die da unten in der sozialen Hierarchie. Arbeitslose, Taxifahrer, Kassiererin, Lehrerin - Leute, die sich abstrampeln und nicht aufgeben wollen, die sich mit scheinbar Schicksalsgegebenem nicht abfinden.

Die Filme atmen Dokumentation, aber der harte Realismus wird nicht überdramatisiert, ist kunstvoll in Szene gesetzt. Denn ein Film und das, was er als Botschaft enthält, ist nichts ohne Publikum. Der Zuschauer soll aus ihm etwas für sich machen. Und so trifft, was und wie es Leigh dem Alltag abhört, ins Gefühl wie in den Verstand, lässt weinen und lachen zugleich. Kluges erzählen und den Zuschauer in Spannung versetzen und sich amüsieren lassen, das ist sein Rezept. »Weltfluchtfilme«, wie er sie nennt, sind seine Sache nicht. Die Welt ein Stückchen ändern, ein bisschen auch durch seine Filme - das ist, was ihn antreibt. Für die, die eine Weltänderung dringend brauchen.

Immer sind es Schauspielerfilme - ob »Freudlose Augenblicke«, 1971 (Goldener Leopard in Locarno), ob »Nackt« (Regie-Palme in Cannes 1993), »Lügen und Geheimnisse« (bester Film in Cannes 1996), »Vera Drake« (Goldener Löwe, Venedig 2004) bis zu »Happy-Go-Lucky«, mit dem er vor vier Jahren zuletzt auf der Berlinale zu Gast war, und »Another Year« (Oscar-Nominierung fürs Drehbuch 2011).

Mike Leigh zum Vorsitzenden der Internationalen Jury 2012 zu bestimmen, passt denn auch zu dessen besonderer Funktion: Festivalbotschafter zu sein. Auch hier zeigt die Berlinale ihr Gesicht: ein deutlich politisches.


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