Zankapfel Geld

Orthodoxe jüdische Gemeinde Adass Jisroel im Dauerstreit mit dem Senat

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

Gute Freunde waren Senat und die orthodoxe israelitische Synagogengemeinde Adass Jisroel noch nie. Streit um die Existenz, Streit um den Status und nun Dauerstreit um Geld. Vor dem Verwaltungsgericht trafen sich gestern die Kontrahenten - um wieder im Streit auseinanderzugehen. Es geht um die bereits gezahlte Förderung der Gemeinde für die Jahre 2001 bis 2006, die der Senat zurückhaben will, sowie um die nicht gezahlte Förderung im Haushaltsjahr 2010 von 650 000 Euro, die die Gemeinde für sich beansprucht.

Die Neugründung der orthodoxen Synagogengemeinde vollzog sich in den Tagen der untergehenden DDR. Kurz vor Toresschluss bestätigte die DDR-Regierung im Dezember 1989 die Rechte der Gemeinde an einem Grundstück in der Tucholskystraße und gewährte ihr den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Doch der Senat erkannte diese Entscheidung nicht an und argumentierte, das Gemeindeleben habe 1939 faktisch aufgehört zu existieren. Damals wurde Adass Jisroel unter den Nazis in die »Reichsvereinigung der Juden in Deutschland« zwangseingegliedert. Bei der Neugründung 1989 handele es sich faktisch um eine andere Organisation, die sich nicht auf alte Rechte und Besitzstände der 1869 gegründeten Gemeinde berufen könne.

Auch mit der Jüdischen Gemeinde mit über 10 000 Mitgliedern liegt die nach eigenen Angaben 900-köpfige Vereinigung im Dauerclinch. Für die größere Gemeinde, in sich zerstritten und von Abspaltung bedroht, ist der kleine orthodoxe Bruder ein selbst ernanntes Gremium, ein erweitertes Familienunternehmen, das mit der einstigen jüdischen Vereinigung Adass Jisroel nichts gemein hat.

Ähnlich muss es auch die Kulturverwaltung des Senats sehen, die für Verteilung der Gelder an kulturelle und religiöse Institutionen zuständig ist. Anders als die Jüdische Gemeinde, wo die Finanzierung über einen Staatsvertrag abgesichert ist, müssen kleinere Religionsgemeinschaften - von 29 religiösen Gruppen erhalten nur fünf Zuwendungen - jedes Jahr ihren Finanzbedarf beantragen. Es gibt also keine Pflicht zur Zahlung von Geldern. Im Gegenzug verlangt der Senat, dass sich die Gemeinde einer Prüfung der Finanzen durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterzieht. Und die Kulturverwaltung stellt Fragen nach der Mitgliederzahl, nach der Gemeindearbeit, nach der Geschäftsführung, die sich in einer Hand befindet. Sie blieben nach Auffassung des Senats bisher unbeantwortet. Die Prüfung lehnt Adass Jisroel mit der Begründung ab, die Gemeinde sei dadurch in ihrem Recht auf Selbstverwaltung eingeschränkt. Der Senat pocht auf sein Recht, bei der Vergabe öffentlicher Mittel auch kontrollieren zu lassen, was mit den Geldern geschieht.

Im Grundsatz bestätigten die Richter die Auffassung des Senats. Es gebe kein Gesetz, das die Behörde zur Zahlung verpflichtet. Es sei auch nicht möglich, Gelder aus einem zukünftigen Etat für Haushalte der Vergangenheit einzustellen. Zudem habe die Synagogengemeinde durch den Verkauf eines ehemaligen Krankenhauses ihren Finanzbedarf für 2010 abgedeckt. Für den Anwalt von Adass Jisroel eine verzwickte Lage. Er beantragte Vertagung, die ihm für einen Monat gewährt wurde.

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