Die eigene Stimme

Claire Jung zum 120.

  • Monika Melchert
  • Lesedauer: 2 Min.
Claire Jung
Claire Jung

Sie gehörte zu jenen Frauen, die überhaupt kein Aufhebens von sich machten. Die taten, was notwendig war, ohne zu fragen, was sie selber davon hätten: Cläre M. Jung, Publizistin und Schriftstellerin aus Berlin (1892-1981).

Bekannt gemacht hatte sie vor allem ein Buch »Aus der Tiefe rufe ich«, das 1946 im Aufbau-Verlag erschienen war und als eines der ersten literarischen Zeugnisse über das Leben und Sterben der jüdischen Bevölkerung berichtete. Cläre M. Jung hatte mit ihren eigenen Ausweispapieren geholfen, zwei ehemalige jüdische Mitschülerinnen zu retten. Damals trat sie als Autorin zum ersten Mal mit ihrer erkennbaren eigenen Stimme aus dem Schatten heraus, in dem sie bis dahin stets als ›die Frau von Franz Jung‹ gestanden hatte.

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg kam sie in den Kreis der jungen expressionistischen Dichter um die Zeitschrift »Aktion« und lernte dort ihren Mann Franz Jung kennen. Sie galt ihnen allen als die »Kameradin« schlechthin, so oft hatte sie während des Krieges und danach alles daran gesetzt, die jungen Rebellen aus dem Gefängnis zu holen.

Zusammen mit Jung ging sie 1921 bis 1923 in die Sowjetunion, um in selbstlosem Einsatz beim Aufbau des Landes zu helfen. Stoffe für ihre späteren literarischen Arbeiten fand sie hier genügend, so zu der Erzählung »Stanislaw Tscherwinsky« (erstmals veröffentlicht in dem Band »Aus der Tiefe rufe ich. Texte aus sieben Jahrzehnten«, trafo Verlag Berlin 2004). Während der Nazizeit war sie eine Anlaufadresse für viele gefährdete Genossen, die sich verstecken, die fliehen mussten. Nach der Trennung von Franz Jung hat sie Deutschland nicht verlassen, sondern weiterhin versucht, ihren Feuilletondienst durchzubringen, bis auch der verboten wurde. Aufgegeben hat diese tapfere Frau nie. Gleich 1945 engagiert sie sich beim Aufbau des Berliner Rundfunks und bringt für Jahre ihre Kraft, ihre Fantasie und all ihre Ideen für ein neues, attraktives Programm ein.

Konnten auch viele ihrer eigenen literarischen Texte nie veröffentlicht werden, hat sie sich doch zeit ihres Lebens für die Verbreitung von Franz Jungs Werk eingesetzt, bewahrte seine Manuskripte, Briefe und Lebensdokumente - Grundstock des Franz-Jung-Archivs der AdK. Doch sie hat auch ein eigenständiges literarisches Werk, an das es zu erinnern gilt.

Morgen jährt sich ihr Geburtstag zum 120. Male.


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