In der Spaßgesellschaft

Von Linien und Farben - Barbara und Ivo Janacek stellen auf Burg Beeskow aus

  • Wolfgang Hoffmann
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Bilder einer Ausstellung. Bilder, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Pastellige Farben, impressionistische Stimmungen, klare Linien. Landschaften, Alleen, Gärten, Blumenstillleben. Scharfes Schwarzweiß, gedankenvolle Sujets, mahnende, plakative Allegorien. Dauernde Balance zwischen Plus und Minus, Yin und Yang, Männlichem und Weiblichen, Leben und Tod. Die Künstler: Mann und Frau. Linien und Farben. Grafik und Malerei. Schönes und Erschütterndes. Auf den ersten Blick scheint die Rollenverteilung klar zu sein. Die Frau zuständig für das Schöne, Heitere, die Harmonie. Der Mann für den Ernst des Lebens, den Kampf gegen die Gefahr. Welch ein Irrtum. Schon der zweite Blick lässt diese gewohnten Raster fraglich erscheinen. Trennlinien verschwimmen. Mal scheinen Linien die Farben zu dominieren, mal lösen sich die Linien unter der zarten Farbigkeit beinahe auf. Die Arbeiten des Künstlerpaares Janacek können unterschiedlicher nicht sein. Doch gerade dadurch ergänzen sie sich auf wunderbare Weise. Und es entstehen reizvolle Spannungsfelder zwischen den Räumen und den Bildern der Exposition. Da sind zum einen die Landschaften und Stillleben von Barbara Janacek mit ihrem anmutigen Licht und freundlichen Farben. Zum anderen die auf ein Minimum reduzierten Linolschnitte und expressiven Mahnbilder Ivo Janaceks, ganz in der Tradition zeit- und gesellschaftskritischer Kunst. Babara Janacek ist von der landschaftlichen Schönheit zwischen Oder und Spree besonders angetan. Gehört doch Herzberg zur Heimat ihrer Kindheit. Nach langer Zeit in Bitterfeld kehrte sie mit ihrem Mann vor einigen Jahren zurück. »Es ist das Schönste, draußen zu malen. Gerade hier wo ich lebe.« Ihre Landschaftsbilder entstehen direkt in der Natur, zuerst auf ihren Skizzenblöcken. Auf der Leinwand versucht sie die Situation zu übersteigern, sowohl in der Farbe als auch in der Form. Ihre Motive sind die Felder bei Herzberg, ein leuchtendes Mohnfeld bei Hartensdorf oder einfach nur der Blick aus ihrem Fenster. In ihren Stillleben verwandelt sie alltäglichste Dinge zu einer märchenhaften Welt. Eine tiefe Ehrfurcht vor der Schöpfung ist ebenso zu spüren wie ein leises Erschrecken vor der Vergänglichkeit. Bilder, die ein Innehalten brauchen. Besinnung darauf, den Augenblick zu leben, der nie zurückkehrt. Sie spricht nicht so gern über sich, sagt nur: »Ich bin einfach froh, dass es diese Schönheiten gibt. Dass es sich lohnt zu leben. Ich muss einfach malen, was ich sehe. Da wo der Dichter Worte setzt, habe ich nur die Farbe. Und wenn jemand nachempfinden kann, was ich beim Malen fühle, dann habe ich Glück gehabt.« Ivo Janacek bewundert seine Frau voller Respekt: »Sie kann vor der Natur umsetzen in expressiv-freudige Farbwerte und dabei auch immer von sich erzählen.« Wenn er selbst Landschaftsaquarelle malt, wie bei den regelmäßigen Aufenthalten in der Provence, ist es für ihn Erholung und Ablenkung zugleich. Er ist bekennender Moralist und will mit seinen Arbeiten die Menschen wachrütteln. Sein Grundthema ist das Leiden der Menschen. Es lässt ihn nicht los. So bei seiner Serie »World Trade Center«. Entsetzen, Empörung über das Unfassbare spricht aus diesen Blättern. Aber auch das Authentische, das einen emotional so berührt. »Ich muss das "abarbeiten", muss mich gleich ransetzen.« Stacheliges, Verletzendes will Ivo Janacek festhalten und damit seine Sorgen und Beklemmungen »wegmalen«. Aber es wird ihm wie Kassandra gehen, stellt er betrübt fest, keiner will ihm zuhören. Dennoch ruft er weiter. Wie Kassandra auf seinem Triptychon II. zwischen den Tafeln »Love Parade« und »Die Schindung des Menschen«. Vergebens ruft Kassandra mit schreckgeweiteten Augen, doch die Spaßgesellschaft hört sie nicht oder will sie nicht hören. Hochaktuell auch die Blätter »Auf den Hund gekommen - Die PISA-Studie«, »AnPassungsBüro« oder »Der Krieg der alten Männer«. Und wohl nicht nur ein Schelm entdeckt beim Betrachten des Gemäldes »Unter den Blinden ist der einäugige König« seltsame Ähnlichkeiten mit gegenwärtigen Politikern. Janacek dankt die Leidenschaft für sozialkritische Themen auch seinem Freund Reiner Kunze, den er 1975 in Bitterfeld kennen lernte. Begeistert von dessen Lyrik, deren klarer gedanklicher Präzision, begann er nach einer adäquaten bildlichen Ausdrucksform zu suchen. Er fand sie im Linolschnitt mit seinen klaren Linien, der Beschränkung auf das Wesentliche, ganz wie in den Gedichten Kunzes. Faszinierend sind diese Illustrationen. Und es ist kein Zufall, dass auf dem Ausstellungsplakat »Der Seiltänzer« zu sehen ist. Ein Clown auf einem dünnen Seil balancierend, an beiden Enden seiner Balancierstange jeweils eine Bombe mit bereits zündelnder Lunte. Das Publikum (wir?) schaut gebannt nach oben. Stürzt der Clown ab? Oder explodieren die Bomben? Oder geschieht alles gleichzeitig? Der Clown, lachend auf seinem Seilchen, scheint zu rufen: Alles nicht so schlimm, Alles nur Spaß! Eine drastische P...

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