Streik vorm Schwimmbad

Der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst findet auch bei den Berliner Bäderbetrieben statt

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Gestern morgen um sieben Uhr in der zwischen Jannowitzbrücke und Ostbahnhof gelegenen Schwimmhalle Holzmarktstraße: Sechs Menschen ziehen ihre Bahnen - und ahnen vermutlich nichts von ihrem Glück. Andere Schwimmhallen haben nämlich außer der Reihe geschlossen. Dort ist das Personal nicht komplett erschienen - es ist Warnstreik im öffentlichen Dienst.

Ein paar der Streikenden treffen sich in der Holzmarktstraße. Sie entstammen einer Minderheit unter den Beschäftigten der Berliner Bäder-Betriebe (BBB): Für die Mehrzahl gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Der aktuelle Arbeitskampf betrifft indes den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD)

Von den 180 bei der Gewerkschaft ver.di organisierten BBB-Beschäftigten fallen 75 unter den TVöD, sagt Marko Ponndorf, BBB-Personalratsvorsitzender. Zur Versammlung vor dem Bad sind aber nur 15 gekommen, darunter vier nicht vom TVöD betroffene FunktionärInnen. Ponndorf gibt sich dennoch zufrieden: »Das ist ja nur ein Zeichen. Wir wollen nicht den Betrieb stilllegen.«

Die kleine Versammlung ist von der Straße aus, von der sie durch eine Grünfläche mit Bäumen getrennt ist, und wo selten Fußgänger vorbei kommen, kaum zu sehen. So stoßen nur ein paar Senioren und eine Grundschulklasse auf die Streikenden, die an Informationsmaterial nur das Faltblatt der derzeit bundesweit laufenden ver.di-Kampagne für den Arbeitskampf im öffentlichen Dienst dabei haben.

Dabei gibt es hier Protestgründe, die über den aktuellen Tarifkonflikt hinaus gehen. »Die Berliner Bäder-Betriebe sind Exoten. Andere öffentliche Berliner Betriebe haben nur einen Tarifvertrag«, sagt Penndorf. »Das wollen wir aber in absehbarer Zeit ändern«, ergänzt Dieter Korte, der zuständige ver.di-Sekretär. Ihm zufolge soll es bald ein ver.di-Treffen geben, um sich intern auf die Forderung nach einem einheitlichen Tarifvertrag zu einigen. Zusätzlichen Unmut erregt bei Korte und anderen Anwesenden die auch innerhalb Berlins geltende Unterscheidung von Ost- und West-Tarifen. Der Unterschied besteht ihnen zufolge in einer Stunde mehr Wochenarbeitszeit im Osten, und bis zu zehn Prozent weniger Geld bei Sonderzahlungen. Dabei seien die Lebenshaltungskosten zwischen »Ost« und »West« nicht prinzipiell unterschiedlich - und das gelte nicht nur innerhalb Berlins. Korte sieht da etwa das Emsland und Friesland, woher er stamme, mit weiten Teilen Brandenburgs gleichauf. »Auf Dauer kann es sich Herr Wowereit nicht erlauben, dass es zwei unterschiedliche Bezahlungen und Arbeitszeiten gibt«, findet der ver.di-Sekretär.

Ein gemeinsamer Tarifvertrag würde die Verwaltungsarbeit der öffentlichen Stellen erleichtern, sagt er - und zu weniger Streiks führen, denn jetzt werde mal für den TVöD, mal für den TV-L gestreikt. Korte weiß aber auch, dass der Senat abwinkt, wenn für ihn mit der Tarifeinheit höhere Gesamtausgaben verbunden sind.

Dem ebenfalls anwesenden Betriebsgruppensprecher Walter Roßmann ist es erst einmal egal, ob der gemeinsame Tarif TVöD oder TV-L wäre - beide hätten Vor- und Nachteile. Für letzteren wurde aber kürzlich die Entgeltordnung festgelegt, die Verbesserungen bringt - fünf Jahre nach seiner Einführung. »Für den ein Jahr älteren TVöD lässt das noch auf sich warten«, klagt Roßmanns Stellvertreterin und stellvertretende Personalratsvorsitzende Ina Hagen. Das soll der Streik richten.

Roßmann zufolge könnte, juristisch gesehen, jederzeit ein Solidaritätsstreik der nach TV-L Bezahlten stattfinden. »Dazu sind die Kollegen aber nicht bereit«, gibt er zu. Sie würden nichts aus der Streikkasse erhalten.

In der ersten Tarifverhandlungsrunde hätten die kommunalen Verbände gar kein Angebot gemacht, beschwert sich Personalratsvorsitzender Ponndorf. Für den Fall, dass die ver.di-Spitze nach der dritten Verhandlung Ende März den Konflikt verschärft, sagt er mehr vorübergehende Bäderschließungen voraus.

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