Die Zeit der Markgrafen und ihr Schloss

Mit Bus, Bahn und Schiff durchs Preußenjahr 2001 / Schauerliche Geschichten über den »Tollen Markgraf« und anderes in Schwedt

  • Christine Röwert
  • Lesedauer: 4 Min.
Im 300. Jahr nach der Selbstkrönung Friedrich I. zum preußischen König erzählt eine Sonderausstellung im Schwedter Stadtmuseum die Geschichte der Hohenzollern. Bis zum 13. Januar 2002 kann man sich über »Die Markgrafen von Brandenburg-Schwedt und ihr Schloss« informieren. Als dieser im 2. Weltkrieg zerstörte Prachtbau Anfang der 60er Jahre gesprengt wurde, verschwand damit zugleich die nach Potsdams Stadtschloss bedeutendste Schlossanlage Brandenburgs. Seine Bewohner, die Schwedter Markgrafen, die in direkter Linie mit den Hohenzollern verwandt waren, hatte ihr Schicksal allerdings schon weit früher ereilt. Nachdem das berühmte Markgrafengeschlecht ohne männliche Erben geblieben war, kam Schwedt Anfang des 19. Jahrhunderts wieder in die Hände der Hohenzollern. Die Liste der Blaublütigen, die das Schloss besuchten und bewohnten, ist lang: Prominentester Vertreter mag vielleicht Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt (1700-1771) sein, der wegen seines Benehmens und seiner kühnen Streiche halb bewundernd, halb angstvoll der »Tolle Markgraf« genannt war. Er war mit einer Schwester von Preußenkönig Friedrich II. verheiratet und hat sowohl seine Untertanen als auch seine Gattin ständig gequält. Einmal hat er seine Angetraute sogar in die Oder gejagt, aus der sie von Dragonern nur mühevoll gerettet werden konnte. Kurze Zeit später befahl er dem Kutscher, sie im Fluss zu versenken. Der erzählte ihr von dem Plan, woraufhin sie zu ihrem königlichen Bruder nach Berlin flüchtete. Der Alte Fritz schrie und wetterte gegen seinen Schwager: »Du verdienst es, lebendig eingemauert zu werden. Allein, das will ich Dir noch einmal schenken. Doch Deine Frau bist Du nicht wert. Die bekommst Du nicht zurück!« So blieb die Markgräfin nebst Kutscher in Berlin. Auch andere hochherrschaftliche Personen weilten im Schwedter Schloss. So 1806 Königin Luise mit ihren Kindern, als sie auf der Flucht vor den napoleonischen Truppen waren, 1833 kam ihr Gatte, König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), mit seinem ganzen Hofstaat nach Schwedt, um sich mit dem russischen Zaren Nikolaus I. und einer Reihe deutscher Fürsten zu treffen. Schwedt nämlich verkörperte einst als prachtvolle, barocke, markgräfliche Residenzstadt Glanz und Gloria und hatte enorme wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung. Schon die Pracht des Schlosses verriet den Wettstreit mit dem Königshaus, der sowohl auf künstlerischer als auch auf politischer Ebene geführt wurde. Immerhin waren die Schwedter Anwärter auf den Königsthron gewesen. Den Verzicht darauf ließen sie sich teuer bezahlen, so dass sie schließlich zu den reichsten preußischen Prinzen zählten. Auch deshalb waren die Ausstattung des Hauses und die Kunstsammlungen von unbeschreiblichem Wert. Allein im Nachlass von Kurfürstin Dorothea befanden sich 1200 Gemälde. Etliche davon sowie Kunst-, und Alltagsgegenstände aus der Markgrafenzeit sind nun als Leihgaben nach Schwedt zurückgekehrt, um von längst vergangenen Zeiten zu berichten. Begleitet wird die Ausstellung von einem reich bebilderten Katalog, der die Exponate vorstellt und deren Geschichte erzählt. An jener Stelle, wo einst das Schloss stand, erheben sich heute die Uckermärkischen Bühnen: 1978 erbaut für die 55000 Schwedter, von denen nach 1990 rund 15000 ihrer Stadt den Rücken kehrten. Die meisten gingen, weil sie keinen Job mehr fanden, die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent. Auf dem Gelände des vier Hektar großen Schlossparks soll ein Europäischer Hugenottenpark entstehen, an dem internationale Künstler als auch örtliche Vereine mitwirken. Gedacht ist auch an eine schwimmende Bühne in der Oder, auf der Theatervorstellungen stattfinden oder historische Spektakel, ganz wie zur Zeit des Großen Kurfürsten. Der hatte 1685 mit seinem »Edikt von Potsdam« zahlreichen aus ihrer französischen Heimat vertriebenen Hugenotten in Brandenburg eine neue Heimat gegeben. Viele von ihnen siedelten in der Uckermark. Eine nach französischem Vorbild angelegte Allee soll in ein paar Jahren mit ihrem neuen Laubengang ein natürliches Tor zum Nationalpark Unteres Odertal bilden. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Ausstellung »Die Markgrafen von Brandenburg-Schwedt und ihr Schloss« ist noch bis zum 13. Januar 2002 im Stadtmuseum Schwedt, Jüdenstraße 17, zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 9-17 Uhr, sonntags 14-16 Uhr. Infos unter (03332)23460 Der Katalog zur Ausstellung ist für 15 DM zu haben Von Berlin nach Schwedt fährt der RE3 alle zwei Stunden

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