Satellit am Roten Meer

Die Technische Universität eröffnet eine Filiale in Ägypten

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sich derzeit an der Technischen Universität (TU) Berlin für Stadtplanung oder Energietechnik bewirbt, könnte im Herbst schon in einem Hörsaal mit Blick aufs Rote Meer sitzen. Bis Ende Juli können noch Bewerbungen eingereicht werden.

Die TU eröffnet bald, mit Blick auf Interessierte vor allem aus arabischen Ländern, in El Gouna, Ägypten, einen eigenen Campus. Das Besondere daran: Er ist denen in Berlin völlig gleichgestellt. Die angebotenen Fächer sind weiterbildende Studiengänge für Menschen mit Berufserfahrung. Rudolf Schäfer, TU-Professor für Baurecht und Gründungsdirektor der TU-Außenstelle, erklärt: »Zielpublikum sind Young Professionals, nicht Leute, die nach einem Bachelor konsekutiv weiterstudieren wollen.«

Die TU sieht sich mit diesem Vorhaben als bundesweiten Vorreiter. Kooperationen deutscher Hochschulen mit ausländischen Partnern gibt es zwar viele, auch solche, wo Lehrpersonal sporadisch ins Ausland geschickt wird. Die TU aber wird auf ihrem »Satellitencampus« unbehelligt von ägyptischen Behörden eigene Studiengänge nach Berliner Recht anbieten. Die Lehre übernimmt TU-Personal.

Dieses Modell war ausdrücklicher Wunsch des Stifters Samih Sawiris. Seine Familie führt den Orascom-Konzern, dem etwa Ägyptens größtes Tourismus- und ein großes Telekommunikationsunternehmen angehören - und der den Luxusort El Gouna gegründet hat.

Seit 2006 arbeitet Sawiris mit der TU den Plan für diese Außenstelle aus. 2009 war Baubeginn für den 10 000 Quadratmeter großen Campus in El Gouna am Roten Meer. Hier sollen künftig ein großer Vorlesungssaal, eine Bibliothek und sieben Seminargebäude einschließlich Labors stehen. Das ist sehr viel Raum für die maximal 90 Studierenden, die ab Oktober in den drei Master-Studiengängen Energietechnik, Wasserwirtschaft und Stadtplanung immatrikuliert sein können. Das Studienangebot soll noch wachsen. Sawiris' Vision ist »eine ganze TU-Kopie«.

Die Baukosten trägt laut TU der Unternehmer selbst. Über acht Millionen Euro werden Sawiris' Angaben nach bis 2015 benötigt. Die laufenden Kosten des Uni-Betriebes sollen anfangs zu zwei Dritteln durch die Zahlungen der Studierenden und zu einem Drittel durch die Sawiris-Familienstiftung und andere Sponsoren getragen werden. Der bestehende Vertrag mit der TU überantwortet Samih Sawiris zudem bis 2015 alle finanziellen Risiken.

Erik Marquardt sieht das Projekt mit Skepsis. Der Student ist Mitglied im TU-Kuratorium und findet: »Die Professorinnen und Professoren sind schon genug von der grundständigen Lehre abgelenkt.« Der ehemalige Referent für Hochschulpolitik beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der TU führt an, dass Professoren heutzutage zu viel Zeit mit dem Schreiben von Anträgen für Forschungsförderungen und Aktivitäten zur Steigerung ihrer Reputation verbringen würden.

Marquardts Skepsis ist insoweit berechtigt, als mit den El-Gouna-Mitteln zwar Assistenzkräfte finanziert werden, die die ganze Zeit vor Ort sein und die Studierenden betreuen sollen. Zusätzlich werden jedoch pro Studiengang sieben bis zwölf TU-Dozenten jeweils mehrere Wochen im Jahr für Lehrveranstaltungen nach El Gouna reisen - und zwar nicht nur in der hier vorlesungsfreien Zeit, wie TU-Präsident Jörg Steinbach einräumt. Dass die Lehr- und Betreuungskapazität in Berlin nicht leiden darf, sei aber bei der Behandlung des Projekts im Kuratorium die einhellige Rechtsinterpretation gewesen, sagt Student Marquardt.

TU-Sprecherin Stefanie Terp beschwichtigt: »Alle Professoren machen das als Nebentätigkeit.« Wer Verpflichtungen in El Gouna habe, lege dann die hiesigen Lehrveranstaltungen entsprechend.

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