Mit 42 muss noch nicht Schluss sein

Vor den Einzelstrecken-Weltmeisterschaften in Heerenveen greift Eisschnellläuferin Claudia Pechstein erneut die NADA an

  • Lesedauer: 4 Min.
CLAUDIA PECHSTEIN will ab Donnerstag bei den Einzelstrecken-WM der Eisschnellläufer um Medaillen laufen. Die Olympiasiegerin verriet OLIVER HÄNDLER, welche Ziele sie hat und dass sie über den Umgang mit der Erfurter Affäre um Sportarzt Andreas Franke nur noch den Kopf schüttelt
nd: Frau Pechstein, Sie hatten gerade eine Mittelohrentzündung. Mussten Sie im Training ein bisschen langsamer laufen?
Pechstein: Das Tempo ist weniger entscheidend. Jeder Sportler hört in seinen Körper hinein. Und wenn irgendetwas nicht stimmt, ist man abgelenkt, kann sich nicht zu 100 Prozent auf das Wesentliche konzentrieren. Deshalb war diese Trainingswoche leider keine optimale WM-Vorbereitung.

Was erwarten Sie sich von den Weltmeisterschaften in Heerenveen? 2011 gab es zwei Medaillen. Nun sind Sie für vier Wettbewerbe gemeldet, wird es eine mehr?
Zuallererst erwarte ich eine stimmungsvolle WM. Ich freue mich auf die tolle Atmosphäre in der Thialf-Halle, in der ich aber maximal drei Rennen bestreiten werde. Neben den 3000 und den 5000 Metern möchte ich auch im Team starten. Über 3000 Meter will ich Platz acht aus dem Vorjahr verbessern, über 5000 Meter peile ich erneut Bronze an. Alles andere wäre Zugabe.

Sind Sie traurig, dass der Massenstart nicht im Programm steht?
In diesem Jahr bin ich bei drei Starts zweimal Zweite und einmal Erste geworden, da hätte ich mich nicht beschwert, wenn es auch ein WM-Rennen gäbe. Es wird aber sicher bald so weit sein. Dieser Wettbewerb ist für die Zuschauer ein tolles Spektakel und bringt neuen Schwung auf die Eisbahn.

Wie bewerten Sie die Nachricht, dass die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA vor der Einleitung weiterer Verfahren in der sogenannten Affäre Erfurt nun ein Gutachten einholt, obwohl die Weltagentur WADA und die NADA bislang behaupteten, als sei Dr. Frankes UV-Methode von Blut stets verboten gewesen?
Wozu braucht man ein Gutachten, wenn das Verbot angeblich so eindeutig ist? Wieso verbietet man etwas für 2011 und 2012, das angeblich schon immer verboten war? Experten und Juristen sind sich uneins. Die WADA bestätigte der NADA noch 2010, dass es keinen Grund gibt, zu glauben, die UV-Behandlung wäre Doping. 2012 versucht sie, diese Aussage zu korrigieren. Und die NADA will nun per Gutachten klären lassen, ob tatsächlich ein Verbot vorlag. Nur der Sportler soll schlauer sein als alle Gelehrten und »Doping« schreien, wenn ihm sein Olympiaarzt die UV-Methode als Infektbehandlung empfiehlt. Wäre es nicht so traurig, müsste man fast darüber lachen.

Sie klingen sehr sarkastisch.
Anders kann man damit doch gar nicht mehr umgehen. Die ganzen Schlaumeier, die sagen, die UV-Behandlung sei immer verboten gewesen, sollen die Stelle im WADA-Code zeigen, wo das vor 2011 stand. Schließlich sollen die Sportler sich doch nach dem Code richten, ihn achten und akzeptieren. Wieso also benötigt man jetzt einen Gutachter, um das Verbot zu finden? Passend dazu wird in den Medien gefordert, man solle am besten 30 Sportler sperren, weil die Rechtslage doch eindeutig sei. So wird in Deutschland Meinung gemacht. Nur gut, dass mir das in diesem Fall nicht passieren kann.

Wie meinen Sie das? Bislang haben Sie nie dementiert oder bestätigt, Patientin von Dr. Franke gewesen zu sein. Wollen Sie die Gelegenheit nun nutzen?
Es gibt nichts zu bestätigen und auch nichts zu dementieren. Gegen mich wird weder von der Staatsanwaltschaft noch von der NADA ermittelt. Ich musste bereits im Verfahren wegen meiner erhöhten Retikulozytenwerte mein Innerstes offenlegen und meine Blutwerte präsentieren. Mehr noch: Um das Fehlurteil gegen mich deutlich zu machen, musste ich sogar meine Eltern und Geschwister zur Blutabnahme bitten. Jetzt hält die Sportschau eine Liste mit meinem Namen in die Kamera und als Folge wird verlangt, ich solle meine Arztbesuche offen legen. Mit welchem Recht? Auch ich habe eine Privatsphäre und die werde ich schützen.

Gestern befasste sich sogar der Sportausschuss des Deutschen Bundestags mit der Causa Erfurt. Wie beurteilen Sie das?
Im Prinzip ist es zu begrüßen, wenn sich die Politik ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt. Die Betonung liegt auf ernsthaft. Wenn in dem Ausschuss als einziger Anti-Dopingexperte allerdings mit Fritz Sörgel ein Apotheker zu Rate gezogen wird, dann darf sich die Politik nicht wundern, wenn es Sportler gibt, die den Sportausschuss nicht erst nehmen.

Sörgel steht nicht gerade hinterm Verkaufstisch. Er ist forschender Pharmazieprofessor.
Trotzdem schreibt er in seiner Stellungnahme mit Blick auf die Aufgaben der Sportler und Ärzte im Anti-Dopingkampf: »Jede medizinische Maßnahme muss gemeldet werden.« Die Ausgabe von Aspirin oder die Wundversorgung durch Auflegen eines Pflasters müssten gemeldet werden? Dann hätte die NADA täglich wahrscheinlich mehrere 1000 Anträge zu bearbeiten. Und als Dankeschön für solch einen Schwachsinn wird man als Gutachter in den Bundestag geladen. Gute Nacht, Deutschland.

Die Kanutin Birgit Fischer plant gerade ein Comeback mit 50. Können Sie sich Wettkampfsport auch mit 50 noch vorstellen?
Vorstellbar ist vieles. Ich habe immer gesagt, dass ich 2014 nach Sotschi will, um mir meine sechste Olympiateilnahme zurückzuholen, die mir vor zwei Jahren von der ISU gestohlen wurde. Dann bin ich 42. Und ich habe nicht gesagt, dass ich danach zurücktreten werde.
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