Nur für Erwachsene

Das renommierte Grips Kinder- und Jugendtheater sieht durch Geldnot seine Kernaufgabe bedroht

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Volker Ludwig bleibt optimistisch. »Als Alt-68er kann ich nicht anders«, sagt der Gründer und Geschäftsführer des Grips Theaters - auch angesichts der finanziellen Schieflage, in der sich das weltberühmte Haus am Hansaplatz momentan befindet. Da die Förderung für das Kinder- und Jugendtheater laut Grips seit 2004 bei 2,74 Millionen Euro eingefroren ist, die Betriebskosten und Mieten aber kontinuierlich steigen, sammeln sich immer wieder Defizite an. Die wurden diverse Male durch einmalige Finanzspritzen des Senats ausgeglichen. In diesem Jahr aber nicht. Die Grips-Truppe braucht nach eigenen Angaben zusätzliche 150 000 Euro, um den Betrieb und vor allem die Arbeit in der kulturellen Bildung mit Schulklassen und Kindern aufrecht zu erhalten. Angesichts der Strahlkraft des Theaters und der Tatsache, dass das Haus am Hansaplatz und seine Dependance in der Klosterstraße mit Workshops bereits über 17 000 Kinder und Jugendliche erreichte, ein geradezu lächerlicher Betrag

»Bleibt es dabei, müssen wir bis Jahresende Erwachsenenstücke durchzocken«, konstatiert Ludwig trocken. »Aber das ist nicht das Grips! Natürlich könnten wir auch überleben, wenn wir nun Boulevardstücke anböten. Unsere Kernaufgabe ist aber die kulturelle Bildung, die Arbeit mit Kindern und Schulen. Und da zahlt man immer drauf.«

Da die Vormittagsvorstellungen für Kitas und Schulklassen zu Sonderkonditionen angeboten werden, reißen diese laut Theater immer wieder Löcher in die Haushaltsplanung. Und das, obwohl sich das Grips laut Ludwig bereits einem schmerzhaften Sparkurs mit selbst auferlegter Haushaltssperre unterzieht. »Jede Cremedose für die Maske muss genehmigt werden. Tariferhöhungen bleiben uns als einzigem geförderten Theater verwehrt«, zählt Ludwig auf und betont: »Der Aufwand ist doch für eine Kindervorstellung derselbe, wie für einen ausverkauften Abendtermin.«

Darum müsse das Grips angesichts der Extraleistung für den Nachwuchs eigentlich zusätzlich gefördert werden. »Das Gegenteil ist aber der Fall«, stöhnt der Theaterpionier, der den Prozess des Klinkenputzens für ein Prestigeobjekt, mit dem sich die Stadt schmücke, als »unendlich ermüdend« bezeichnet. Schließlich sei dem Senat die Lage seit Oktober 2011 bekannt. »Am 8. März habe ich Klaus Wowereit einen persönlichen Brief geschrieben. Auf die Antwort warte ich bis heute.«

Das Grips ist aber auch Opfer des eigenen Erfolgs. So ist es für Außenstehende schwer vorstellbar, dass ein Theater, das etwa mit »Linie 1« einen internationalen Theater-Blockbuster geschaffen hat, pleite gehen könnte. Doch so einfach ist es laut Ludwig nicht. »Erstens war ›Linie 1‹ eigentlich eine Nummer zu groß für das Grips, da haben wir die Kostümbudgets für mehrere Jahre verbraucht. Bei ›Pünktchen und Anton‹ musste uns der Hauptstadtkulturfonds unter die Arme greifen. Außerdem finanzieren ja gerade solche Stücke unsere Aktivitäten zur kulturellen Bildung. Aber wenn wir in Zukunft 100 Mal im Jahr ›Linie 1‹ spielen müssen, um finanziell über die Runden zu kommen, bleibt unser eigentlicher Auftrag auf der Strecke«, betont Ludwig.

Sollte der Hauptausschuss am 4. Mai das zusätzliche Geld nicht bewilligen, müssten laut Ludwig sämtliche Schulvorstellungen in diesem Herbst abgesagt werden, statt dessen würden dann Abendvorstellungen anberaumt werden. Überwältigt zeigt sich das Grips von den zahllosen Solidaritätsbekundungen aus der Bevölkerung. »Viele fragen, wie sie etwas spenden könnten. Ich sage: Schreibt lieber einen Brief an den Senat«, schlägt Ludwig vor.

Torsten Wöhlert von der Senatskulturverwaltung sieht dagegen »keine akute Insolvenzgefahr für das Grips Theater«. Im neuen Kulturetat sei zudem eine Aufstockung der Jahresförderung um 85 000 Euro geplant.

Das Grips Theater setzt seit der Gründung in den 60er Jahren Maßstäbe für linkes Kinder- und Jugendtheater und konnte auch mit Stücken für Erwachsene überzeugen - auch wenn zuweilen arg mit dem Zeigefinger agiert wird. Zu Beginn noch von der CDU als »kommunistische Kinderverderber« verunglimpft, kann sich spätestens seit »Linie 1« fast jeder mit der bunten Truppe identifizieren.

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