Marx trifft Liquid Democracy

Piraten zum Einstieg - Potsdamer LINKE will mit Veranstaltungen Dialog zwischen den Parteien fördern

  • Christoph Nitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Folien erklärte Georg Jähnig die Welt der Piraten.
Mit Folien erklärte Georg Jähnig die Welt der Piraten.

Parteien sollten mit- statt übereinander reden - die Veranstaltungsreihe »DIE LINKE trifft ...« soll den Dialog in der politischen Szene Potsdams fördern. Den Auftakt macht an diesem Freitagabend Georg Jähnig von den Piraten, was auf großes Intresse stößt: Die noch nicht eingeweihte neue Geschäftsstelle des Kreisverbandes ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

Während Jähnig mit Beamer und Powerpoint-Präsentation das Phänomen Piratenpartei vorstellt, schreibt ein älterer Genosse fleißig mit - sorgfältig zieht er mit einem Lineal auf jeder Seite des Blocks eine Randlinie und die Notizen strukturiert er mit farbigen Unterstreichungen. Vielleicht lässt sich diese Beobachtung mit dem in der Debatte erwähnten Durchschnittsalter der Parteimitglieder am besten erklären: 62 Jahre kommen bei der LINKEN zusammen, während der durchschnittliche Pirat 31 Jahre zählt.

Einen tiefen Blick in den piratischen Werkzeugkasten gewährt Georg Jähnig und stellt den Versuch der Partei vor, Entscheidungen möglichst basisdemokratisch zu treffen. Er sei aktives Mitglied seit 2010, allerdings ohne Mandat oder Funktion. Den Boom der 2006 in Deutschland gegründeten Partei erklärt Jähnig mit Politikverdrossenheit und der Vernachlässigung der Netzpolitik durch den etablierten Politikbetrieb. Die Piraten verweigern sich dem klassischen Links-rechts-Schema und bezeichnen sich selbst als »sozial-liberal-progressiv«. Attraktiv für die Wähler in Berlin oder auch im Saarland sei wohl die Forderung nach Transparenz und Bürgerbeteiligung gewesen, meint Jähnig.

»Was habt Ihr außer dem Liquid-Dings inhaltlich zu bieten?« - viele Zuhörer haben Probleme, sich einzudenken in eine Welt der Piratenpads, Twitter und Podcasts sowie der Liquid Democracy genannten Software zur virtuellen Erstellung und Abstimmung von Anträgen. Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien und ihren Anhängern werden am deutlichsten, wenn der doppelt-freie Lohnarbeiter auf das von Georg Jähnig bis ins Parteiprogramm vorangetriebene bedingungslose Grundeinkommen (BGE) trifft. Ähnlich wie bei die Linkspartei sind die Positionen zum BGE umstritten. Andreas Goebel, Schatzmeister der Potsdamer Piraten, verweist auf die plurale Struktur der Neulinge. Die Piraten wollen sich als ideologiefrei verstanden wissen, ein Fakt, der Unverständnis bei einigen im Publikum hervorruft. »Die sollten mal mehr bei Marx nachschauen«, lautete ein gemurmelter Kommentar. Einigkeit hingegen bei dem Wunsch, die Demokratie im Land weiterzuentwickeln. Transparenz und Bürgerbeteiligung sind Kernanliegen beider Parteien.

Seit Jahren schon kennen sich Moderator Moritz Kirchner, im Kreisvorstand der LINKEN zuständig für Bildungsarbeit, und Jähnig - sie studierten gemeinsam in Potsdam, waren in der Studierendenvertretung aktiv. Persönliche Kontakte erleichtern Dialoge - auch oder gerade in der Politik. Das Experiment darf als geglückt angesehen werden, denn die Debatte zeichnet ehrliches Interesse und grundsätzliche Offenheit aller Beteiligten aus. Nicht nur Anhänger der LINKEN können Neues kennenlernen; die Tatsache, dass die Sitzungen des Parteivorstandes der Bundespartei grundsätzlich öffentlich seien, verwundert die anwesenden Piraten: »Das müsstet Ihr aber bekannt machen!«

Am 4. Mai wird der Dialog fortgesetzt: Mike Schubert von der Potsdamer SPD wird bei den LINKEN vorbeischauen.

www.dielinke-potsdam.de

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