Züge fahren seltener

Verkehrsministerium legt keine Strecken still, aber das Angebot wird ausgedünnt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Brandenburg steht im kommenden Jahr eine Verringerung des Bestellvolumen im Schienenpersonennahverkehr um zwei Prozent bevor. Doch soll damit das Volumen immer noch »über dem Niveau von 2011« liegen.

Rheinsberg war schon vorsorglich dagegen Sturm gelaufen, vom Streckennetz abgekoppelt zu werden. Gestern stellte Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD), klar, dass es nicht zur vollständigen Stilllegung von Strecken kommen werde, »wie sie zurzeit in vielen Landesteilen befürchtet werden«. Das sagte Vogelsänger zum Auftakt der Regionalkonferenzen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) in Potsdam. Doch würden die enormen Kostensteigerungen für Infrastruktur und Energie zu einer moderaten Angebotsanpassung, vor allem bei schwach ausgelasteten Zuglinien, zwingen, fügte er hinzu, als er über die Eckpunkte für den neuen Landesnahverkehrsplan der Jahre 2013 bis 2017 informierte und ihn zur Diskussion stellte.

Die Aufregung hat der Minister selbst verursacht, indem er im März vor dem Landtag erklärte, Bahnkunden in Brandenburg müssten sich auf weitere Streckenstilllegungen einstellen. Es gebe eine Reihe von Verbindungen mit weniger als 500 Fahrgästen täglich. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD und LINKE vereinbart, in der laufenden Legislaturperiode keine Strecken stillzulegen.

Doch »leere Züge fahren zu lassen, ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll«, gab dieser Tage SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher zu bedenken.

Daher werden auf bestimmten Strecken entschieden weniger Züge fahren als früher. Betroffen sind Bahnverbindungen, die nur von wenigen Fahrgästen genutzt werden und für die ein weiterer Rückgang der Einnahmen prognostiziert wird. Als gefährdet gelten die Strecken Pritzwalk-Meyenburg, Neustadt (Dosse)-Pritzwalk, Rheinsberg-Löwenberg, Eberswalde-Frankfurt (Oder), Angermünde-Szczecin, Königs Wusterhausen-Frankfurt (Oder) und Britz-Joachimsthal.

Das Geld, mit dem das Land Zugverbindungen bestellen kann, wird in den kommenden Jahren deutlich knapper. Die Regionalisierungsmitteln des Bundes sind nur noch bis 2014 festgeschrieben und also lediglich bis dahin gesichert. Brandenburg kämpft derzeit mit den anderen Bundesländern beim Bund um eine Fortschreibung dieser Mittel für den Regionalverkehr. Vogelsänger bereitete die Kunden vorsichtig auch auf weitere Preiserhöhungen vor. Die Fahrgäste müssten auch weiterhin über moderate, an die Preissteigerungen angepasste Ticketpreise zur Kostendeckung beitragen. Und wenn - wie im Falle der Anbindung des Großflughafens in Schönefeld, die Bestellung neuer Zugverbindungen erforderlich sein sollte, dann werden sie »nur noch auf Kosten von Leistungskürzungen an anderer Stelle möglich sein«, bekräftigte der Minister.

Die finanziellen Zwänge existieren seltsamerweise, obwohl nach den Worten des Verkehrsministers zwischen 2007 und 2011 die Nutzung der Regionalexpresszüge insgesamt zugenommen hat. Die Regionalzüge haben 2009 schon 34,6 Millionen Einsteiger gezählt, zwei Jahre zuvor seien es erst 30,8 Millionen gewesen.

Indes rief ein Aktionsbündnis »Rettet Brandenburgs Regionalverkehr« zur Verteidigung des Bahnangebots auf. Das Bündnis warf der Regierung vor, Bahnhöfe schließen und ganze Linien einstellen zu wollen; und das vor dem Hintergrund, dass Brandenburg das Bundesland mit dem größten Anteil an Pendlern in Deutschland sei. »Nachteile für Bevölkerung, Umwelt und regionale Wirtschaft wären die Folge«, heißt es in der Resolution, die vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub, von Fahrgast- und Wanderverbänden sowie vom Bund für Umwelt und Naturschutz und anderen unterzeichnet wurde. »Fahrrad fahren wird ohne Bahnanschluss unterbunden und das Wandern erschwert«, hieß es. Eine touristische Erschließung sei »ohne Bahn unvorstellbar«.

Anstatt offensiv die Position zu vertreten, dass Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch den Bund überhaupt nicht verhandelbar seien, übe sich Verkehrsminister Vogelsänger »in vorauseilendem Gehorsam« und entwickele selbst schon Kürzungsszenarien, beschwerte sich der Bahnkundenverband.

»Strecken sind nur dann attraktiv, wenn sich die Fahrgäste auf regelmäßige Takte verlassen können«, sagte der FDP-Landtagsabgeordnete Gregor Beyer. Nur dann sei es möglich, auf das Auto zu verzichten.

Der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen (CDU) erklärte, der Bund plane überhaupt nicht, die Zuschüsse für den Regionalbahnverkehr zu kürzen. Stattdessen steige die Überweisung von Bahnmitteln des des Bundes an das Land Brandenburg jährlich um 1,5 Prozent«. Die von Vogelsänger vorhergesagten Kürzungen stünden gar nicht zu Diskussion.

Die bislang letzten Streckenstilllegungen wurden 2007 vorgenommen. Damals wurden Zugverbindungen durch Buslinien ersetzt. Zu nennenswerten Beeinträchtigungen sei es dadurch nicht gekommen, behauptet das Verkehrsministerium.

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