Nicht ohne meinen Bello!

Tierrechtler wollen Schweizer Weg im Streit um Scheidungstiere

  • Jürgen Oeder, AFP
  • Lesedauer: 3 Min.

Scheidungskinder haben es schwer. Ihr Wohl und nicht etwa das der Eltern steht deshalb im Mittelpunkt von Gerichtsentscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht mit dem Kind. Was aber ist mit Scheidungshunden oder anderen liebgewonnen Haustieren? Während deutsches Recht Tiere in solchen Fällen noch immer wie Kühlschränke und anderen Hausrat einem der beiden Ex-Partner zuweist, ist für Schweizer Richter schon längst das Tierwohl ein wichtiges Entscheidungskriterium.

»Bei Heimtieren sollte es selbstverständlich sein, dass das Wohl der Tiere über ihren Verbleib bei einem der ehemaligen Partner entscheidet«, sagt Caterina Mülhausen vom Deutschen Tierschutzbund. Der Weg hin zu glücklichen Scheidungspudeln, Stubentigern oder Meerschweinchen ist allerdings tückisch. Die gesetzliche Besserstellung ihrer Würde kann für Tierhalter verblüffende Folgen haben, wie das Beispiel Schweiz zeigt. Dort gilt seit April 2003, dass Tiere »keine Sachen« sind. Dies steht zwar auch in Paragraf 90a des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Doch im folgenden Satz heißt es gleichwohl, dass auf Tiere »die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden« sind. In strittigen Scheidungsfällen prüfen Richter deshalb für die Zuteilung in erster Linie, wer das Tier gekauft und für die Unterhaltskosten aufgekommen ist.

Ob Bello mehr auf Herrchen oder Frauchen fixiert ist, ist spielt da keine Rolle. Der Unterlegene hat überdies auch keinen Rechtsanspruch auf Umgang mit dem Tier: Derjenige, der den Zuschlag erhalten hat, ist laut Paragraf 903 BGB, »der Eigentümer« und kann »andere von jeder Einwirkung ausschließen«.

Ganz anders in der Schweiz: Sie hat die »Würde der Kreatur« 1992 in die Bundesverfassung aufgenommen und 2008 die »Würde des Tieres« im Tierschutzgesetz verankert. »In Scheidungsverfahren wird dort deshalb auch ausdrücklich auf Tierwohlgesichtspunkte und auf besondere persönliche Bindungen zu einem Tier Bezug genommen«, sagt Mühlhausen.

Der Kampf ums Haustier kann allerdings wegen »Verletzung der tierischen Würde« auch schnell verloren gehen. Solch ein Rechtseingriff könnte nach Ansicht des Juristen Antoine Goetschel von der Schweizer »Stiftung für das Tier im Recht« etwa vorliegen, wenn Tiere durch vermenschlichtes Herausputzen »erniedrigt« werden. Halterinnen weißer Pudel mit rosa Farbton und Schleifchen im Haar wären dann womöglich sogar der Strafverfolgung ausgesetzt.

Aber auch Herrchen dürften es sich nach einer gewonnen Scheidungsschlacht um Bello nicht allzu lange im Fernsehsessel bequem machen: Wegen der gesetzlich verankerten Tierwürde könnten laut Goetschel in der Schweiz Bestimmungen »über das Ausleben des Bewegungsbedürfnisses von Hunden griffig ausgestaltet werden«, um »unterbeschäftigte Hunde und verantwortungslose Tierhalter« auf Trab zu bringen. Wehe dem Besitzer, wenn Bello dann kein Rehpinscher sondern ein Husky ist.

Tierpsychologen zufolge sind es aber letztlich gar nicht die Haustiere, die unter einer Scheidung leiden wie ein Hund, sondern vielmehr die Menschen. Hunde gewöhnten sich innerhalb weniger Wochen an das veränderte Familien-»Rudel« und akzeptierten auch neue »Leittiere«. Katzen dagegen sei es völlig egal, welcher zweibeinige Dosenöffner für Futternachschub sorgt. Sie sind auf ihre Umgebung fixiert nicht auf ihre vermeintlichen Besitzer.

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