Ein Stadtteilvater für alle Fälle

Resul Egri will Migrantenfamilien zur Seite stehen

  • Cetin Demirci, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Resul Egri sitzt mit einigen Frauen in einem kleinen Raum und spricht über Kindererziehung, als es jäh aus ihm herausbricht. »Bis zum siebten Lebensjahr sollte man seine Kinder lieben, dann ein guter Freund sein und ab dem 15. Lebensjahr ihnen als Wegweiser beratend zur Seite stehen«, sagt der stämmige Mann Anfang 40. Kurzes, überraschtes Schweigen im Qualifikationskurs für Stadtteilmütter in Kreuzberg. Dann lächeln seine sechs Kolleginnen beeindruckt. »Woher weißt Du denn so etwas?«, fragt eine.

Egri selbst hat drei Kinder - und ist der einzige Mann in Berlin, der sich zum Stadtteilvater ausbilden lässt. »Ich weiß nicht, was mit den restlichen Männern ist«, sagt er. »Am Anfang waren da noch ein, zwei andere. Irgendwann sind die aber nicht mehr gekommen.« Als gestandener Vater kenne er die Sorgen und Nöte von Eltern, sagt er. Darum sei es ihm leicht gefallen, sich für den Kurs zu entscheiden.

Sechs Monate lang wird Egri beim Diakonischen Werk Kurse über Kindererziehung, Gesundheit und Sprachförderung besuchen. Danach soll der in der Türkei Geborene denen helfen, die nicht so gut Deutsch sprechen und sich in Berlin nicht so wohlfühlen wie er. In Kreuzberger Schulen, Kitas und Familiencafés wird er Vorträge halten und persönliche Gespräche anbieten. Auch Hausbesuche will er machen und Familien mit Tipps rund um Kindererziehung und Unterstützung zur Seite stehen.

Der Bedarf an Stadtteilvätern sei groß, erklärt Projektleiterin Anke Dietrich vom Diakonischen Werk. »Sie können eine andere Vorbildfunktion erfüllen als Mütter.« Qualifikationskurse für Stadtteilmütter und -väter werden in mehreren deutschen Städten angeboten. Allein in Kreuzberg wurden bislang mehr als 50 Stadtteilmütter auf Kosten des Bezirks ausgebildet.

Das Angebot richtet sich vor allem an Hartz-IV-Empfänger mit ausländischen Wurzeln. Es sei aber nicht leicht, Frauen und Männer zu finden, die perfekt ins Konzept passen, sagt Dietrich. Aufgeschlossen und teamfähig sollen sie sein, gute Deutschkenntnisse und eigene Kinder haben. Der finanzielle Anreiz sei mit einem Stundenlohn von 1,50 Euro zudem eher gering, sagt Dietrich. Das sei auch ein Grund für den geringen Männeranteil.

Im quirligen Kreuzberg liegt die Arbeitslosenquote weit über dem Berliner Schnitt, mehr als die Hälfte der Jugendlichen hat hier ausländische Wurzeln. Manche nennen das »Multikulti«. Egri mag den Begriff nicht. »Es kann doch nicht sein, dass man alle Migranten in einen Bezirk packt oder sich als Migrant gezielt dort niederlässt und eine solch offenkundig problematische Konstellation mit dem Begriff »Multikulti« beschönigt.«

Als Stadtteilvater soll Egri eine Art Brückenfunktion zwischen Staat und Migranten einnehmen. Er spricht die gleiche Sprache, kennt die Lebensgewohnheiten und kulturellen Unterschiede. Er kann helfen, wenn das Jugendamt Problemfamilien nicht mehr erreicht. »Viele Familien haben Angst vor den Behörden, weil sie denken, dass es schlimmer wird, wenn man diese einschaltet«, erklärt Dietrich.

Egri kennt das Problem. Viele Migranten sprächen weder Deutsch, noch seien ihnen die hiesigen Gesetze vertraut. »Sie merken erst, dass Sie einer Pflicht nicht nachgekommen sind, wenn sie zur Verantwortung gezogen werden.« Selbst Kursteilnehmer seien oft erstaunt, was alles gesetzlich geregelt sei und welche Unterstützung es gebe. Egri: »Das muss man doch wissen, wenn man hier leben möchte. Das ist doch die Voraussetzung für Integration.«

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