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Porzellan- statt Pappbecher

An der Freien Universität propagieren Studierende und Angestellte Nachhaltigkeit

  • Lesedauer: 5 Min.
Karola Braun-Wanke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin. Sie ist Koordinatorin der dortigen Hochschultage für Nachhaltigkeit und Klimaschutz namens »Sustain it«, die seit dem gestrigen Montag und bis morgen stattfinden. Mit ihr sprach für »nd« Ralf Hutter.

nd: An der Freien Universität finden zum zweiten Mal die Hochschultage »Sustain it« statt. Was steckt dahinter und was bedeutet dieser Titel eigentlich?
Braun-Wanke: »Sustain it« heißt frei übersetzt: Mach mit beim Nachhalten! Gegründet hat sich die Initiative 2010. Aus verschiedenen Ecken kam der Wunsch, dass an der FU mehr zu dem Thema gemacht wird. Ich beschäftige mich schon seit 15 Jahren mit Bildung für nachhaltige Entwicklung, auch mit der Frage, wie man junge Menschen dafür sensibilisieren und auch zu Aktionen bringen kann. Den entsprechenden Wunsch hatten auch Studierende von der Grünen Hochschulgruppe. Und es gibt sehr gute Kontakte zur technischen Abteilung. Die Freie Universität gehört seit 2005 zu den wenigen zertifizierten Hochschulen, die schon einiges in Sachen Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und Klimaschutz umgesetzt haben.

Es gibt also zahlreiche Aktivitäten, aber wenig Gebündeltes. Das ist uns aufgefallen. Diese Hochschultage fanden dann 2011 zum ersten Mal statt. Dabei ist uns Vernetzung wichtig. Studierende anderer Hochschulen beteiligen sich ebenso wie politische Organisationen. Auch mit FU-Fachbereichen und anderen Hochschulen sind wir verbandelt.

Was für Veranstaltungen werden angeboten? Und ist irgendetwas anders als im Vorjahr?
Ja. Wir haben dieses Jahr einen Theater-Workshop neu im Programm: »Act Now! Die Uni ist deine Bühne!« Wir arbeiten mit unterschiedlichen Kommunikationsformen, weil wir die Leute dazu bekommen wollen, dass sie aktiv mitgestalten. Dieses Jahr wollen wir mittels des politischen Aktionstheaters die Uni zur Bühne machen. Bei unserer Kunstaktion geht es um den Trend »Coffee To Go«. Mir war es im Vorfeld auch nicht ganz bewusst, aber durch diesen neuen Konsumtrend landen angeblich jährlich 6,5 Milliarden Becher auf dem Müll.

Weltweit?
Nein, in Deutschland. Wir kooperieren hier mit dem Studentenwerk Berlin. Das hat 2011 eine Schätzung für seine 44 Mensen und mehrere Coffee-Shops gemacht und ist auf zwei Millionen Becher gekommen. Unsere Idee war, diese Masse von Bechern über eine Kunstaktion bewusst zu machen. Wir haben wochenlang Becher auf dem Campus gesammelt, sind also wirklich mit Handschuhen durch die Mülleimer gegangen um Becher als Basis für die Kunstaktion zu haben. Wir werden aus diesem Becherberg in einem Foyer eine Raumskulptur bauen. Unser Ansatz ist, dann gleich Alternativen aufzuzeigen. Es gibt nämlich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft eine Studenteninitiative, die einen Campus-Cup entwickelt hat, also eine Porzellantasse. Wenn wir schon den To-Go-Trend nicht stoppen können, soll es zumindest auswaschbare Porzellanbecher geben, die auch Verschlusskappen haben, damit sie mitgenommen werden können.

Was für Veranstaltungsformen gibt es dann noch?
Wir bieten eine Ideen-Werkstatt an, eine Podiumsdiskussion zur Rekommunalisierung der Energieversorgung und ein World Café, wo wir gemeinsam mit MitarbeiterInnen, Studierenden und Interessierten überlegen wollen, wie die Freie Universität grüner werden kann. Wir als Initiative werden dann die Ideen an die Uni-Verwaltung herantragen und überlegen: Wie können wir das umsetzen? Auch Filme zeigen wir. Auf dem »Markt der nachhaltigen Möglichkeiten« präsentieren sich übrigens 30 lokale und universitäre Organisationen.

Wie sieht bei der Organisation das Zusammenspiel von Studierenden, wissenschaftlichen Angestellten und der Verwaltung aus?
Wir treffen uns seit November einmal die Woche. Unsere Idee ist, dass die Studierenden ihre eigenen Veranstaltungen entwickeln und wir vom Forschungszentrum für Umweltpolitik dann vielleicht bei der Auswahl der Referenten Hilfestellung geben. Wir haben von der Hochschulverwaltung zur Finanzierung des Programms ein Budget bekommen. Die technische Abteilung trägt eigene Workshops bei. Sie macht beispielsweise einen Energie-Rundgang vom Heizungskeller bis zum Solardach.

Sie sagen: Universitäten haben eine besondere Verantwortung beim Thema Nachhaltigkeit und beziehen sich dabei auch auf die Hochschulrektorenkonferenz. Wie können die Unis dieser Verantwortung gerecht werden?
Zum einen kann der Uni-Komplex selbst grüner werden, mit erneuerbaren Energien, mit Recycling-Papier, mit allen möglichen Aspekten. Wichtig ist aber auch, dass Universitätsangehörige, vor allem die Studierenden, da eingebunden werden. Da müssen neue Lehrtypen gefunden werden, Stichwort »Bildung für nachhaltige Entwicklung«, damit Studierende über die Disziplin hinaus Gestaltungskompetenzen erwerben. Mit »Sustain it« wollen wir dafür sensibilisieren und mit interaktiven Methoden und fächerübergreifenden Ansätzen dafür werben.

Werden die deutschen Universitäten ihrer Verantwortung gerecht?
Es gibt einzelne Universitäten, die durchaus schon als Vorbild dienen können. Aber leider sind das noch viel zu wenige. So ein Prozess geht nicht von heute auf morgen.

Das Wort Nachhaltigkeit ist ja in aller Munde. Aber wie bei anderen Öko-Themen auch läuft ein entsprechendes Engagement generell Gefahr, vor allem der Gewissensberuhigung zu dienen ...
Das stimmt.

Inwieweit wird bei »Sustain it« thematisiert werden, dass die mächtigen Regierungen der Welt in ökologischer Hinsicht vielfältig versagt haben? Sprich: Welchen Stellenwert hat Systemkritik?
In dem Workshop »Direkte Demokratie wagen« geht es auch um aktuelle Volksbegehren, um neue Wege, Bürger mehr einzubeziehen. Die Energiewende muss auch von unten gemacht werden. Von oben geht es zu langsam. Das ist ganz klar unser Tenor: dass eine Energiewende jetzt schon machbar ist, aber politisch - gerade auch in Berlin - noch zu wenig vorangetrieben wird.

Programm unter: www.fu-berlin.de/sustain-it

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