Werbung

Streit ums Tempelhofer Feld

Interessengruppen nutzen das aktuelle Interesse am Park für ihre Forderungen

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Aufgemotzter Park oder Landschaftsschutzgebiet? Und wie viele Gebäude sollen errichtet werden? Die Diskussion um das ehemalige Flughafengelände in Tempelhof kommt nach der Absage der Internationalen Gartenausstellung (IGA) wieder in Fahrt.

Der starke Zuspruch der Bevölkerung seit Öffnung des Geländes hat mittlerweile viele überzeugt. Der bereits beschlossene Entwurf zur Entwicklung einer Parklandschaft, die unabhängig von der IGA geplant war und 61 Millionen Euro kosten sollte, wird nun auch innerhalb der Regierungskoalition in Frage gestellt. Warum so viel Geld ausgeben, wenn das Tempelhofer Feld sich jetzt schon großer Beliebtheit erfreut?

Diese Frage stellt auch Michael Schneidewind von der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld«. Ein Kletterfelsen etwa und eine Aussichtsplattform seien unnötig. Neue, ellipsenförmige Wege würden die »klare Kante« zwischen Feld und bestehender Bebauung verwischen und somit langfristig das Risiko bedeuten, dass die Bebauung auf das Feld ausgedehnt wird.

Der Senat erwägt freilich längst, auf der Ostseite den Bau von Wohnungen zuzulassen und auf der Südseite Gewerbeansiedlungen. Auch der Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek soll auf das ehemalige Flughafengelände. Die Bürgerinitiative wendet sich gegen jeglichen Neubau und betont die Bedeutung der großen Wiesenfläche (»ein Kaltluftentstehungsgebiet«) für das Stadtklima.

»Man muss sich schon über die Randbebauung Gedanken machen«, sagt dazu Dieter Scherer. Er ist Professor für Klimatologie an der Technischen Universität und arbeitete 2010 an einem Tempelhof-Gutachten für den Senat mit. Scherer sagt aber auch: »Es gibt kein Patentrezept, es ist alles ortsspezifisch.« Nicht jede Bebauung würde Schaden anrichten. Laut Michael Schneidewind habe ein Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zugegeben, dass die klimatischen Auswirkungen des angedachten Wohnungsbaus noch nicht ausreichend erforscht seien.

Die Bürgerinitiative will nun das »Wiesenmeer« per Volksbegehren erhalten. »Wir sind kurz vor der Fertigstellung des Gesetzentwurfs«, sagt Schneidewind. Wenn alles nach Plan laufe, beginne die Unterschriftensammlung schon Ende August. »Wir wollen aber nicht den Status quo erhalten«, erläutert er. Ziel sei »ein Landschaftsschutzgebiet mit Erholungsfunktion«.

Hingegen sprechen sich der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin für eine Erweiterung der Bauflächen aus. »Obwohl das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof besonders attraktive Flächen bietet, sind bisher nur kleine Baufelder für Wohnräume vorgesehen«, moniert die IHK. Dabei brauche Berlin mehr als die derzeit vom Senat angestrebte Zahl an neuen Wohnungen pro Jahr. »Neben einer Vergrößerung der Baufelder im Norden und Osten sollten zusätzlich im Westen entlang des Tempelhofer Damms weitere Wohnungsbauflächen eingeplant werden«, so die IHK.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sagt dazu: »Es gibt keine abschließende Planung zur Bebauung.« Allerdings stünden gewisse Entscheidungen jetzt auch nicht an. Klar seien nur Prioritätensetzungen, etwa zum Bau der Bibliothek. Was den 61 Millionen teuren Parkausbau angeht, verweist sie auf die Beschlusslage. Die 24 Euro pro Quadratmeter, die diese Summe bedeute, seien zudem »kein Riesenbetrag«. Eine Änderung der Parkentwicklungspläne müsste vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal