Kein Ersatz für Safer Sex

Das Anti-Aids-Medikament Truvada ist in den USA nun auch zur Vorbeugung zugelassen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Kampf gegen Aids wird seit Jahren nicht nur nach Medikamenten gesucht, die Symptome lindern und das Überleben sichern, sondern auch nach solchen, die eine Übertragung des HIV-Virus verhindern. Truvada soll das jetzt leisten.

Truvada diente bisher der Behandlung von HIV-infizierten Menschen. Jetzt soll das Mittel auch das Ansteckungsrisiko senken. Dazu muss es eingenommenen werden, bevor sich Betroffene der Gefahr einer Ansteckung aussetzen. Dies ist aber nur für bestimmte Risikogruppen sinnvoll und zugelassen, darunter Menschen, die mit einem infizierten Partner zusammenleben, oder jene mit häufig wechselnden Sexualpartnern.

Allerdings gibt es noch erhebliche Einschränkungen in der Wirksamkeit und weitere Bedenken gegen das Mittel. So warnen Experten, dass der Ansteckungsschutz nicht absolut zuverlässig sei. Die beiden Studien, die für die neue Zulassung entscheidend waren, machen deutlich, worum es geht: Bei 2500 homosexuellen Männern wurde das Risiko der Ansteckung um 42 Prozent gesenkt, bei regelmäßiger Einnahme sogar um 73 Prozent. In der anderen Studie mit 4800 heterosexuellen Paaren in Kenia und Uganda mit einem HIV-positiven Partner betrug die Schutzrate von 75 Prozent.

Betroffene sollten weiter Kondome verwenden und sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Aus der Notwendigkeit, das Medikament täglich und regelmäßig einzunehmen, ergibt sich eine weitere Einschränkung der Nutzergruppe. Experten empfehlen ergänzend Beratung und einen Aids-Test als Voraussetzung. Sollte jemand nämlich bereits infiziert sein, könnte die Einnahme der blauen Filmtablette zu Resistenzen führen. Truvada könne außerdem, wenn auch selten, die Knochen und Nieren schädigen sowie vorhandene Hepatitis-B-Infektionen verschlimmern. Nebenwirkungen bei Frauen, so Kritiker, sind noch unzureichend untersucht.

Manche Mediziner machen auch den Kostenvergleich: Andere Präventionsmaßnahmen seien deutlich preiswerter zu haben. Truvada kostet mit 800 Euro pro Monat relativ viel. Flächendeckend ließen sich selbst die genannten Hochrisiko-Gruppen wohl kaum versorgen. Verteidiger halten dagegen, dass das immer noch preiswerter sei als eine lebenslange Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten.

Angeboten wird Truvada vom Pharmakonzern Gilead Sciences, der es 2004 auf den US-Markt brachte. Dort war das Mittel bisher eines der meistverkauften HIV-Medikamente und trug 2011 entscheidend zum Rekordumsatz des Unternehmens von 8,1 Milliarden Dollar bei. Im ersten Quartal 2012 konnten mit Truvada 758,3 Millionen Dollar umgesetzt werden.

Auch im Bereich der Impfstoffentwicklungen werden immer wieder große Hoffnungen geweckt; de facto sind eher Misserfolge zu verzeichnen. Während viele Forscher nicht an einen Durchbruch glauben, wurden zuletzt Fortschritte in Tierversuchen mit Rhesusaffen an der Harvard Medical School in Boston erzielt, die bei den Primaten einen Schutz von etwa 80 Prozent erreichten. Noch einen Schritt weiter zurück sind Wissenschaftler in Shanghai, die bei Mäusen die Immunität mit HIV--ähnlichen Partikeln erreicht haben wollen. Der einzige größere Impfstoff-Test an Menschen mit 16 000 Freiwilligen in Thailand konnte das Ansteckungsrisiko nur um 31 Prozent senken.

Konsens scheint in der Forschung zumindest darin zu bestehen, dass die Seuche nicht mit einem einzigen Mittel zurückgedrängt werden kann.

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