Viel Platz für wenig Leute

Am Flughafen Tempelhof gibt‘s erstmals Public Viewing von Olympia

  • Anton Scholz
  • Lesedauer: 3 Min.

Olympia ist Lena eigentlich egal. Sie sitzt auf der Wiese am Tempelhofer Feld, ihr Fahrrad liegt neben ihr, sie blickt auf den Megabildschirm und liest parallel ein Modemagazin. »Ich wollte nach der Arbeit einfach ein bisschen die Sonne genießen und nebenbei etwas olympische Luft schnuppern«, sagt die 25-jährige Studentin.

Seit dem Beginn der Spiele in London wird in Berlin versucht, ein Public Viewing für Olympia aufzuziehen. Täglich zwölf Stunden Olympia werden auf die Großbildleinwand neben dem riesigen Flughafengebäude live übertragen: Das ganz normale Fernsehprogramm von ARD und ZDF. »Die Spiele in Berlin«, heißt das Motto der Initiative. Die Tempelhofer »Fanmeile« will neben der Übertragung ihre Besucher mit Sportplätzen, Unterhaltung, Currywurst und Bier anziehen.

Auf der »Eventbühne« gab es zur Eröffnung zwar Prominenz wie den Britische Botschafter Simon McDonald zu sehen, aber seither passiert auf dieser Bühne außer den morgendlichen Yoga-Sessions nicht viel. Auf der ehemaligen Rollbahn ziehen Skater, Fahrradfahrer und Läufer vorbei, und sie alle scheinen sich wenig für das kleine olympische Dorf an der Westseite der Tempelhofer Freiheit zu interessieren. Obwohl das Dorf aufgrund seiner Größe schwer auf dem Flughafengelände zu finden ist, scheint es überdimensional groß, weil das Publikum so klein ist.

Etwa 50 Leute verfolgen am frühen Abend die Übertragung aus dem Londoner Velodrom auf der Riesenleinwand: Bahnradsport ist noch nicht so recht massentauglich. Die Verkäufer an dem halben Dutzend Wurst- und Bierstände blicken gelangweilt - die Kundschaft innerhalb einer Stunde kann man an zwei Händen abzählen.

Was wirklich angenommen wird, sind die Sportplätze, die die Veranstalter neben der Leinwand aufgebaut haben. Beachvolleyball, Fußball, Basketball und Hockey selbst zu spielen, bietet offensichtlich mehr Spaß als es im Fernsehen mitzuverfolgen. Die Felder sind gut gefüllt bis es dunkel wird. Die Tribüne und das Dorf hingegen bleiben weitestgehend unbevölkert. Von Seiten des veranstaltenden Berliner Hockeyclubs gibt es wohl nicht allzu hohe Erwartungen an das Public Viewing: »Mit dem bisherigen Verlauf sind wir äußerst zufrieden. Organisatorisch verläuft die Veranstaltung bisher völlig reibungslos.«

Verglichen mit Public-Viewing-Events bei der Fußball EM oder WM ist aber einfach nichts los. Und ohne gutes Wetter wären Gäste wie Lena auch nicht da - »Bei Regen wäre ich direkt nach Hause gefahren. Die Übertragung ist zwar nett, aber gezielt würde ich hier nicht herkommen.« Diese Meinung hört man auch von anderen Fanmeilen-Besuchern, die sich in der Sonne räkeln und für die die Wettkämpfe als beiläufige Unterhaltung dienen.

Um künftig mehr Olympia-Begeisterte anzulocken, setzen die Veranstalter auf Mitmach-Aktionen. So bietet das Berliner »Boot Camp« am Samstag zwischen 14 und 20 Uhr zu jeder vollen Stunde intensive Workout-Kurse, bei denen man die Grenzen seiner Kondition austesten kann. Ob derartige Angebote auch mehr Menschen vor die 80-Quadratmeter-Großbildleinwand locken können?

Noch bis zum 12. August besteht die Chance im Berliner Olympiadorf die Athleten zu feiern. Vielleicht wird‘s ja beim Fußballfinale der Männer am kommenden Samstag richtig voll. Dabei sein ist schließlich alles bei Olympia.

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