Sprache der 67er

BLOGwoche

  • Roberto De Lapuente
  • Lesedauer: 2 Min.

Diese »inoffiziellen Informationen von Behörden« liest man ulkigerweise nur in Diekmanns Zeitung - sonst sind sie nirgends zu finden. Es sind inoffizielle Informationen, die vielleicht ganz offiziös von der »Bild«-Zeitung selbst stammen. Die lauten nämlich, dass sich das Occupy-Camp (in Frankfurt am Main, das Anfang der Woche geräumt wurde, d. Red.) aus »5 Aktivisten, 60 Rumänen, dazu 10 Alkoholkranke, 5 Junkies, 10 geistig Verwirrte« zusammensetze. Gruppen also, die von jeher keinen hohen Stand in der Redaktion dieses Blattes hatten. Man darf ohnehin von Glück sprechen, dass noch von Rumänen die Rede ist - in einschlägigen rechten Webpräsenzen, die so offenherzig schreiben können, wie es die »Bild« gerne täte, liest man etwas von »Zigeunern« und »Ratten« (...)

Und dabei gab man sich doch so geläutert. Man wollte die Geschichte der eigenen Zeitung aufarbeiten, bemühte sich, die Zeit der Studentenunruhen zu verstehen, die Rolle des eigenen Mediums darin zu ordnen. Das geschah in den letzten Jahren verklärend, »Bild« entlastete sich selber, gab irgendwo aber auch zu, nicht immer glücklich agiert zu haben. Mit der Kriminalisierung der Studentenbewegung, den publizistisch verbreiteten Lügen, die Studentenschaft wolle den Terror manifestieren, war das Ambiente der kommenden Jahre bereitet, die Radikalisierung einer Splittergruppe und deren Gewaltbereitschaft unter der Abbreviatur RAF fixiert. So weit ging die Einsicht der letzten Jahre natürlich nicht - die war milder: »Bild« lag nicht immer richtig, aber auch nicht ganz falsch, lautete die Erkenntnis.

Man könnte sagen, »Bild« habe aus der damaligen Zeit nichts gelernt. Könnte man. Das wäre aber falsch, denn richtig wäre: Was hätte sie lernen sollen? Sie hat ja wenig falsch gemacht. Aber dieses Wenige wiederholt sie mal zu mal, gerade wieder, da sie das Occupy-Camp mit einer polemischen, beleidigenden Wortwahl zu etwas macht, das es sich lohnt, auseinanderzuprügeln. Es ist die Wortwahl des Juni 1967, als man im Vorfeld des Staatsbesuches des Schahs von Persien die Demonstranten als Gesindel hinstellte und hernach, als Ohnesorg erschossen und viele weitere Demonstranten durch die Straßen West-Berlins gejagt wurden, die Gewaltbereitschaft der zuvor Verprügelten hervorhob.

Der Autor ist Publizist und betreibt das Weblog ad sinistram; zum Weiterlesen: www.ad-sinistram.blogspot

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