Wie wird man Großmeister?

Shi Yongxin, Jg. 1965, ist höchster buddhistischer Würdenträger Chinas

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Eure Heiligkeit, wie verträgt sich die Kung Fu-Kampfkunst mit der buddhistischen Lehre? Buddha hat Friedfertigkeit gepredigt.
Shi Yongxin (Lächelt): Ja, Barmherzigkeit, Gelassenheit und innere Ruhe. Der Mensch sollte nach eigener Vervollkommnung und Harmonie mit sich, der Umwelt und der Natur streben. Die Ursprünge des Buddhismus liegen in Indien. Den ersten Shaolin Tempel in China ließ Kaiser Xiao Wen vor 1500 Jahren für indische Mönche errichten: im Songshan-Gebirge in der Provinz Henan. Sie begründeten den Chan-Buddhismus. In der Tang-Dynastie mussten sie sich Banditen aus den Bergen erwehren. Kung Fu entstand als Selbstverteidigung, ist aber viel mehr als das. Kung Fu dient der Kräftigung der Gesundheit, ergänzt die Meditation. Geist und Körper im Einklang. In der Song-Dynastie entwickelte sich Kung Fu weiter. Shaolin-Mönche retteten schon mal die Dynastie und wurden weithin bekannt. In der Ming-Zeit beherbergte das Kloster über 2000 Mönche.

Wie wurden Sie Abt des berühmtesten Shaolin Klosters?
Ich wurde als Liu Yingcheng in Yin Shan, in der Provinz Anhui, geboren. Ich wollte Mönch werden, bin deshalb mit 16 in den Shaolin Tempel in Henan eingetreten, wo ich meinen buddhistischen Namen erhielt. Ich habe bei Abt Xing Zheng gelernt und kehrte nach einer Wanderschaft zurück. 1999 wurde ich 30. Abt in Henan.

Was sagen Sie, wenn im Namen einer Religion Terror ausgeübt, Menschen Leid angetan wird?
Das ist schlimm. Wir bemühen uns um friedlichen, kulturellen Austausch. In China gibt es viele Glaubensgemeinschaften: Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus, Muslime, evangelische und katholische Christen ... Wir leben in friedlicher Koexistenz miteinander. Das hat Tradition in China.

Nelson Mandela sagte bei einem Treffen mit Ihnen: »Die Shaolin-Kultur ist ein Schatz der Menschheit.« Wie steht die chinesische Führung zu diesem Schatz?
2004 beantragte das Kulturministerium auf meine Bitte hin bei der UNESCO, unseren Tempel als Weltkulturerbe anzuerkennen. Dem Antrag wurde entsprochen.

Wurde das Kloster während der »Kulturrevolution« zerstört?
Nein, sondern schon in den 20er Jahren durch einen Warlord. Während der Kulturrevolution blieb der Tempel offen, allerdings haben die Mönche das Kloster verlassen müssen. Niemand kümmert sich mehr darum. Erst dank meines Lehrers Xing Zheng zog wieder Leben ein. Wir haben das Kloster wieder aufgebaut.

Was hält der Großmeister Shi Yongxin von Kung Fu-Filmen?
Filme haben ihren Ursprung im realen Leben, wie auch Bühnenstücke oder literarische Werke. Die Wahrheit der Shaolin-Kunst ist eine andere, sie ist nicht durch Sprache, Bilder oder Texte zu transportieren, sondern nur durch eigenes Praktizieren erlebbar.

Wer kommt deshalb zu Ihnen?
Menschen aus allen Schichten, auch Großunternehmer.

Die müssen aber bezahlen?
(Lächelt). Wir sprechen von Spenden.

Fragen: Karlen Vesper

Der Abt ist Schirmherr des 1. Europäischen Shaolin Kulturfestivals dieses Wochenende in Berlin.

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