Luft(schloss)hoheit

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Zweifelsfrei befinden wir uns auf diesem Foto im Areal eines Luftschlosses. Statt in den Swimming Pool zu gleiten: Sprung ins (dunkle) Wolkenmeer. Wo die Wirklichkeiten wie Wrackteile treiben.

Das Errichten von Luftschlössern ist sozialster Wohnungsbau. Endlich ganz oben! Niemand mehr muss sich nach der Decke strecken. Alle dürfen mit der Tür ins Haus fallen. Hier rollt sich der Teppich, unter den sonst alles gekehrt wurde, entspannt zusammen wie eine Katze am Ofen. Man redet miteinander - und nicht gegen eine Wand, die spitzelnde Ohren hat. Keiner ist je weg vom Fenster oder kommt in Teufels Küche.

Auch sind die Tischtücher unzerschneidbar; keiner muss fürchten, an seinem Stuhl werde gesägt; noch wenn das Licht verlischt, tappen alle im Hellen. Heimkommen ist hier das wahre Reiseziel - niemand hat mehr Fernweh nach sich selbst oder benötigt einen Moderator noch fürs Selbstgespräch. Luftschlösser liegen weder an einer Heeresstraße noch an einem Holzweg. In derartigen Behausungen gibt es auch keinen Tapetenwechsel, es gilt: Lassen wir am besten immer alles so, wie es nie gewesen ist!

Diese luftigen Anwesen sind längst keine Seltenheit mehr, sie füllen in wachsender Anzahl den Platz an der Sonne - wohin man im Erdenrund auch blickt, stößt man auf vermeintliche Bewohner eines Luftschlosses: So viele Menschen, die täglich aus allen Wolken fallen.

Else Lasker-Schüler: Gebet

Ich suche allerlanden eine Stadt,
Die einen Engel vor der Pforte hat.
Ich trage seinen großen Flügel
Gebrochen schwer am Schulterblatt
Und in der Stirne seinen Stern als Siegel.

Und wandle immer in die Nacht ...
Ich habe Liebe in die Welt gebracht -
Daß blau zu blühen jedes Herz vermag,
Und hab ein Leben müde mich gewacht,
In Gott gehüllt den dunklen Atemschlag.

O Gott, schließ um mich deinen Mantel fest;
Ich weiß, ich bin im Kugelglas der Rest,
Und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt,
Du mich nicht wieder aus der Allmacht läßt
Und sich ein neuer Erdball um mich schließt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal