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Mit der Tretmühle vom Brandenburger Tor bis zum Tivoli
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Süd-Dänemark / Der neu eingeweihte Radfernweg Berlin - Kopenhagen im Test
Die Sonne scheint, das Gepäck ist gut festgezurrt und die Fahrräder sausen gut geölt voran. Die Reifen schnurren auf dem Asphaltweg, fressen einen Kilometer um den anderen. So lieben es Radler. Sie wollen mehr sehen als Wanderer und weniger verpassen als Autofahrer. Leider trügt bei dem neuen Radfernweg Berlin - Kopenhagen oft der Schein, den hochoffizielle Tourismus-Broschüren erwecken.
Immer wieder geht es über holperige Forstwege, weiche Sandpisten oder gar alte Panzerstrecken, besonders im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem wirkt der Radweg Berlin - Kopenhagen wie ein Radweg Berlin - Rostock. Im Fährhafen endet die Ausschilderung mit dem eigens für die Tour entworfenen Logo. Zwar gibt es in Süddänemark haufenweise herrlich ausgebaute Radwege. Die Beschilderung von Radwegen ist in Dänemark jedoch einheitlich geregelt. Das Logo anzubringen, ist nicht erlaubt. So muss man sich zwischenzeitlich an jeder Kreuzung neu orientieren, auf welcher Piste der Radfernweg nach Kopenhagen führt.
Streit um Trasse
Der wahrscheinlich schlimmste Streckenabschnitt ist der zwischen Dagow und Steinförde bei Fürstenberg/Havel. Hier muss die Parole lauten: »Wer sein Rad liebt, der schiebt.« Auf dem desolaten Betonuntergrund kann ein Achsenbruch auf den ersten Metern nicht ganz ausgeschlossen werden. Gegen den Ausbau kämpft der ortsansässige Naturschützer und ND-Autor Tom Kirschey. Allerdings wehrt er sich nicht gegen einen vernünftigen Radweg, sondern gegen eine Trasse mit 3,50 Metern Breite und 40 Tonnen zulässiger Last. Das Ende des Streits zwischen Landkreis und Naturschützern ist noch nicht abzusehen.
Ist also vorerst von einer Radreise nach Kopenhagen abzuraten? Keineswegs, denn zwischen Brandenburger Tor und dem Vergnügungspark Tivoli warten Wälder und Wiesen, Moore und Kreidefelsen, Seen und Flüsse darauf, individuell entdeckt zu werden. Die Planer haben sich ganz offensichtlich Mühe gegeben, zu den schönsten Stellen zu führen. Verzeihlich, wenn die Wege dorthin manchmal noch Wünsche offen lassen.
Vieles ist möglich. Wettfahrt mit der Wasserschutzpolizei am Vosskanal zwischen Bischofswerder und Zehdenick, Adler beobachten in Federow, Tretboot fahren auf dem Inselsee bei Güstrow oder in Hünengräber kriechen auf der dänischen Insel Møn. Leider wird die Müritz nur bei Waren gestreift. Dafür geht es vorbei an Ankershagen, wo der Troja-Entdecker Heinrich Schliemann aufwuchs. Der Schwanz des trojanischen Pferdes am dortigen Museum gibt eine besonders schnelle Rutsche ab. Außerdem entschädigt die Fahrt über eine Holzbrücke durch das Kameruner Moor im Süden von Waren. So nah sind Wasservögel selten zu beobachten.
Die Mischung zwischen Einsamkeit und Erlebnis ist genau richtig. Betrieb ist nur dort, wo der Fernweg mit dem Mecklenburgische-Seen-Radweg zusammenfällt. Die wohl schönsten Abschnitte liegen erstaunlicherweise in Brandenburg, wo man immer besonders nah ans Wasser herankommt. In Mecklenburg-Vorpommern verblüfften die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Einheimischen. Von der angeblichen Kühle der Küstenmenschen spürt man wenig. In Süd-Dänemark gefallen die ausgedehnten Kornfelder, langweilen auf die Dauer aber auch ein wenig. Reizvoll ist die Ostseeküste.
Auch unangemeldet eine Unterkunft zu finden, ist in Brandenburg selbst während der Sommermonate kein Problem. Schwierig könnte es in Dänemark werden, wenn man nicht bereit ist, sich in teure Hotels einzumieten. Auf der sicheren Seite ist, wer ein Zelt mitnimmt. Zeltplätze gibt es genügend. Die Übernachtung kostet für zwei Personen zwischen 10 und 15 Euro.
Geheimtipp Mildenberg
Ein Geheimtipp ist der romantische Zeltplatz am Hafen auf dem brandenburgischen Ziegeleipark Mildenberg, wo pro Zelt nur 5 Euro zu entrichten sind. In etwas desolatem Zustand befindet sich der Platz in Neuglobsow am Stechlinsee. Die Regel ist gepflegter Camping-Komfort mit Duschen, Waschmaschine und Trockner.
In Dänemark braucht man eine Camping-Karte, die für umgerechnet 10 Euro gekauft werden kann. Die Karte gilt pro Familie ein Jahr lang für alle Camping-Plätze in Skandinavien. Zu beachten ist, dass Finnland als einziges skandinavisches Land den Euro eingeführt hat. Man benötigt also dänische Kronen bei einem Abstecher von Kopenhagen nach Malmø, z.B. über die Øresundbrücke, schwedische Kronen. Zuweilen akzeptieren Geschäfte allerdings Euro, besonders auf der Ferieninsel Falster.
Sprachproblemlos
Dänische Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich. Abgesehen von kleinen Kindern spricht jeder Däne Englisch und fast jeder Deutsch, das in den Schulen gelehrt wird. Die Überfahrt von Rostock nach Gedser mit der Linie »Scandlines« dauert zwei Stunden und kostet pro Person plus Rad 10 Euro.
Die 630 Kilometer sind in 15 Tagen zu meistern. In dieser Zeit schaffte es beispielsweise eine achtköpfige Großfamilie aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) mit den Großeltern im Rentenalter und der 12-jährigen Enkelin. Der Autor dieses Beitrags brauchte mit seiner Freundin 13 Tage und legte dabei noch drei Rasttage ein. Wer auf der Schiene zurück will, muss beachten, dass laut Fahrplan nur ein Morgenzug von Kopenhagen nach Gedser durchfährt. Später fährt die Bahn nur bis Nykøbing....
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