Prophylaktische Operationen bei familiärer Krebsbelastung
Im Jahr 1895 sagte die Haushälterin ihre Todesursache voraus: Sie werde an einer bösartigen Geschwulst in ihrem Darm oder ihrer Gebärmutter sterben, prophezeite sie ihrem Dienstherrn, dem amerikanischen Pathologen Aldred Warthin. Die Haushälterin war sich ihrer Sache sicher: Schließlich waren bereits drei Viertel ihrer Familie an solchen Geschwülsten verstorben.
Schon seit hundert Jahren wissen Forscher nun, dass manche Formen von Krebs »in der Familie« liegen: Die Veranlagung für Krebs in Dickdarm, Schilddrüse, Magen, Bauchspeicheldrüse, Eierstöcken und Brust kann von einer Generation in die nächste weitergegeben werden. Verdacht auf eine erbliche Belastung besteht dann, wenn sich Krebserkrankungen in einer Familie in verschiedenen Generationen häufen. Heute können Molekularbiologen an charakteristischen Veränderungen im Erbgut ablesen, ob eine solche familiäre Belastung besteht und sogar, bei welchen Mitgliedern früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Tumor entstehen wird. Könnte man dann nicht einschreiten, bevor sich noch gesundes Gewebe in wuchernde Tumorzellen verwandelt, die in den ganzen Körper ausschwärmen? Wäre die Prophezeihung der Haushälterin nicht in Erfüllung gegangen, wenn ihr vorsorglich Darm und Gebärmutter entfernt worden wären?
Während im Ausland - vor allem in den Vereinigten Staaten - schon zum Messer gegriffen wird, bevor der Patient überhaupt an Krebs erkrankt ist, zögern deutsche Mediziner. Selbst bei Familien, die eine lange Geschichte von Krebserkrankungen haben und bei denen eine krankmachende Erbanlage identifiziert worden ist, wird meistens erst dann operiert, wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist. Beispiel Dickdarmkrebs: Jeder zehnte Patient hat sein Leiden von den Vorfahren geerbt. »Noch gibt es aber keine wissenschaftliche Daten, die vorbeugende Operationen bei familiärer Belastung rechtfertigen würden«, meint die Chirurgin Gabriela Möslein von der Universitätsklinik Düsseldorf. Deshalb beginnt noch in diesem Jahr eine von der Deutschen Krebshilfe unterstützte Studie, die klären soll, ob eine prophylaktische Darmentfernung die bessere Alternative zu häufigen Vorsorgeuntersuchen in Form von Darmspiegelungen darstellt. Auch die Gynäkologen stehen der vorbeugenden Organentfernung eher kritisch gegenüber.
Schon seit 1996 gibt es ein flächendeckendes Netz von Zentren, die Frauen mit Fällen von Brust- oder Eierstockkrebs in ihrer Familie Beratung anbieten. Immerhin fünf bis zehn Prozent aller Brust- oder Eierstock-Krebserkrankungen sind erblich bedingt. Diese Frauen tragen ein verändertes Gen - das BRCA-1- oder BRCA-2-Gen, das sie geerbt haben und an ihre Kinder weitergeben können. 40Prozent aller Ratsuchenden können jedoch beruhigt werden: Bei ihnen lässt sich kein familiäres Risiko nachweisen. Falls anhand des Familienstammbaums ein begründeter Verdacht besteht, kann die betroffene Frau einen Gentest machen lassen. Wenn der Test positiv ausfällt, lassen sich manche Frauen prophylaktisch Brüste oder Eierstöcke entfernen. Amerikanische Studien deuten darauf hin, dass sich ihr Krebsrisiko dadurch deutlich senken lässt. Routinemäßig empfohlen wird ein solcher Eingriff von deutschen Frauenärzten aber nicht: Wenn sich die Betroffene gegen eine OP und statt dessen für intensive Früherkennungsmaßnahmen entscheidet, wird sie darin genauso unterstützt.
Trotz aller gebotenen Vorsicht - dass es Kranke gibt, die von vorsorglichen Organentfernungen profitieren würden, steht außer Frage. Zum Beispiel Hilde K.: Die heute 73 Jahre alte Dame trägt das Gen für die Krankheit HNPCC (Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer), bei der im mittleren Lebensalter bösartige Geschwulste im Darm und anderen Organen entstehen. Insgesamt neun Tumoren entfernten Chirurgen aus Hilde K.s Körper, vier davon aus dem Dickdarm. Heute erfreut sie sich bester Gesundheit - eine Ausnahme unter denen, die ihr Schicksal teilen.
Zentren für »Familiären Brustkrebs« u.a.:
Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin, Bereich Tumorgenetik, Robert-Rössle-Str. 10, 13122 Berlin, Tel. (030)450566662
Medizinische Fakultät der TU Dresden, Tel. (0351)4582864
Institut für Humangenetik der Universität, Philipp-Rosenthal-Str. 55, 04103 Leipzig, Tel. (0341)9723800
Zentren für »Familiären Darmkrebs« u.a.:
Universitätsklinikum Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Tel. (0351)4583598,
Weitere Informationen: www.krebs-kom...
Schon seit hundert Jahren wissen Forscher nun, dass manche Formen von Krebs »in der Familie« liegen: Die Veranlagung für Krebs in Dickdarm, Schilddrüse, Magen, Bauchspeicheldrüse, Eierstöcken und Brust kann von einer Generation in die nächste weitergegeben werden. Verdacht auf eine erbliche Belastung besteht dann, wenn sich Krebserkrankungen in einer Familie in verschiedenen Generationen häufen. Heute können Molekularbiologen an charakteristischen Veränderungen im Erbgut ablesen, ob eine solche familiäre Belastung besteht und sogar, bei welchen Mitgliedern früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Tumor entstehen wird. Könnte man dann nicht einschreiten, bevor sich noch gesundes Gewebe in wuchernde Tumorzellen verwandelt, die in den ganzen Körper ausschwärmen? Wäre die Prophezeihung der Haushälterin nicht in Erfüllung gegangen, wenn ihr vorsorglich Darm und Gebärmutter entfernt worden wären?
Während im Ausland - vor allem in den Vereinigten Staaten - schon zum Messer gegriffen wird, bevor der Patient überhaupt an Krebs erkrankt ist, zögern deutsche Mediziner. Selbst bei Familien, die eine lange Geschichte von Krebserkrankungen haben und bei denen eine krankmachende Erbanlage identifiziert worden ist, wird meistens erst dann operiert, wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist. Beispiel Dickdarmkrebs: Jeder zehnte Patient hat sein Leiden von den Vorfahren geerbt. »Noch gibt es aber keine wissenschaftliche Daten, die vorbeugende Operationen bei familiärer Belastung rechtfertigen würden«, meint die Chirurgin Gabriela Möslein von der Universitätsklinik Düsseldorf. Deshalb beginnt noch in diesem Jahr eine von der Deutschen Krebshilfe unterstützte Studie, die klären soll, ob eine prophylaktische Darmentfernung die bessere Alternative zu häufigen Vorsorgeuntersuchen in Form von Darmspiegelungen darstellt. Auch die Gynäkologen stehen der vorbeugenden Organentfernung eher kritisch gegenüber.
Schon seit 1996 gibt es ein flächendeckendes Netz von Zentren, die Frauen mit Fällen von Brust- oder Eierstockkrebs in ihrer Familie Beratung anbieten. Immerhin fünf bis zehn Prozent aller Brust- oder Eierstock-Krebserkrankungen sind erblich bedingt. Diese Frauen tragen ein verändertes Gen - das BRCA-1- oder BRCA-2-Gen, das sie geerbt haben und an ihre Kinder weitergeben können. 40Prozent aller Ratsuchenden können jedoch beruhigt werden: Bei ihnen lässt sich kein familiäres Risiko nachweisen. Falls anhand des Familienstammbaums ein begründeter Verdacht besteht, kann die betroffene Frau einen Gentest machen lassen. Wenn der Test positiv ausfällt, lassen sich manche Frauen prophylaktisch Brüste oder Eierstöcke entfernen. Amerikanische Studien deuten darauf hin, dass sich ihr Krebsrisiko dadurch deutlich senken lässt. Routinemäßig empfohlen wird ein solcher Eingriff von deutschen Frauenärzten aber nicht: Wenn sich die Betroffene gegen eine OP und statt dessen für intensive Früherkennungsmaßnahmen entscheidet, wird sie darin genauso unterstützt.
Trotz aller gebotenen Vorsicht - dass es Kranke gibt, die von vorsorglichen Organentfernungen profitieren würden, steht außer Frage. Zum Beispiel Hilde K.: Die heute 73 Jahre alte Dame trägt das Gen für die Krankheit HNPCC (Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer), bei der im mittleren Lebensalter bösartige Geschwulste im Darm und anderen Organen entstehen. Insgesamt neun Tumoren entfernten Chirurgen aus Hilde K.s Körper, vier davon aus dem Dickdarm. Heute erfreut sie sich bester Gesundheit - eine Ausnahme unter denen, die ihr Schicksal teilen.
Zentren für »Familiären Brustkrebs« u.a.:
Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin, Bereich Tumorgenetik, Robert-Rössle-Str. 10, 13122 Berlin, Tel. (030)450566662
Medizinische Fakultät der TU Dresden, Tel. (0351)4582864
Institut für Humangenetik der Universität, Philipp-Rosenthal-Str. 55, 04103 Leipzig, Tel. (0341)9723800
Zentren für »Familiären Darmkrebs« u.a.:
Universitätsklinikum Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Tel. (0351)4583598,
Weitere Informationen: www.krebs-kom...
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