Bloß kein Mallorca des Nordens

Intelligente Inselpolitik lockt massenhaft Urlauber und bremst Massentourismus

  • Larissa Schulz-Trieglaff
  • Lesedauer: ca. 4.5 Min.
Links das tiefblaue Meer, rechts Wälder und vorne irgendwo Hasle. Etwa zehn Kilometer liegen zwischen der kleinen Hafenstadt und Rönne, der Hauptstadt Bornholms. Der Radweg ist sehr gut ausgeschildert und verläuft auf einem asphaltierten Streifen neben der Landstraße. Wem das zu langweilig ist, der kann auf einem holprigen, sandigen Waldweg am Strand in Richtung Norden fahren. Hasle ist hübsch, aber nicht gerade die bedeutendste Stadt der Insel. Was auffällt sind die vielen kleinen Häuschen aus Klinkern, für Bornholm eher ungewöhnlich. Bereits im 17. Jahrhundert grub man hier nach Kohle. Eine Glasfabrik wurde gebaut und im Jahr 1889 begann die Klinker- und Schamottesteinfabrik ihre Produktion. Hasle hat einen kleinen Hafen: Keine Fischerboote, dafür umso mehr schicke weiße Yachten tanzen auf den Wellen hin und her. Man sieht selten eines der letzten Holzboote, die rausfahren und die Restaurants und Räuchereien mit frischem Fisch beliefern. Krabben, Heringe, Forellen, Lachs - einheimischen und importierten Fisch gibt es hier den ganzen Tag. Eine Touristenattraktion. Dänen, Schweden, Deutsche Bornholm ist keine Insel für Massentouristen, dennoch bevölkern Touristenmassen das Eiland: Rund 600000 Menschen kommen im Jahr nach Bornholm, die meisten sind aus Dänemark, Schweden, Deutschland. Die Politiker und der Tourismusverband versuchen, den Fremdenverkehr in das Inselleben zu integrieren: Das größte Hotel in Rönne hat nur drei Stockwerke, die Bettenzahl darf nicht die Einwohnerzahl von 45000 übertreffen, viele Ferienhäuser sind in den Wäldern versteckt. »Bornholm soll kein zweites Mallorca werden«, sagte die Fremdenführerin Lone Bordinggaard aus Svaneke. Das Fahrrad ist auf Bornholm das beste Fortbewegungsmittel. Über die dunkelgrünen Schilder mit der Aufschrift »Cycelvej«, stolpert man an jeder zweiten Kreuzung. Mittlerweile gibt es ein 240 Kilometer langes Radwegenetz, das einmal um die ganze Insel, aber auch kreuz und quer durchs Landesinnere führt. Eine Tour die Küste entlang ist 105 Kilometer lang. Die längste Strecke geht von Norden nach Süden über 40 Kilometer, von Osten nach Westen sind es 30 Kilometer. Fahrradvermieter gibt es in jeder Stadt. Auch die Hotels, Pensionen und Ferienhäuser vermieten oftmals Räder mit entsprechenden Anhängern. Zudem gibt es einen ganz besonderen Service: den Gepäcktransport. Man kann sein Gepäck von Übernachtung zu Übernachtung transportieren lassen, wenn man eine Tour um die Insel macht. Folgt man dem Radweg, der einmal rund um die Insel führt, kommt man immer mehr in eine zerklüftete, klippenartige Landschaft. Schon von weitem zu sehen ist die größte Burgruine Dänemarks Hammershus, die auf einer Felsenspitze direkt am Meer liegt. Im 13. Jahrhundert wurde sie an diesem äußersten Punkt der Insel errichtet, seitdem war sie das Machtzentrum wechselnder Herrscher Schwedens, Dänemarks, Deutschlands und zugleich Gefängnis für so genannte Landesverräter. Im 19. Jahrhundert interessierte sich niemand mehr für die Burg. Sie verfiel und wurde von den Bewohnern als Steinbruch benutzt; der Klinker erwies sich als ziemlich haltbar. Nach weiteren, etwa 13 Kilometern - immer am steilen Ufer entlang - kommt man über Allingen zu den Helligdomsklippen, den Heiligtumsfelsen. Hier liegt auf einer Klippe - das blaue Meer schimmert im Hintergrund - eines der bedeutendsten Kunstmuseen Dänemarks. Der moderne Bau aus Ziegel, Granit, Sandstein, Holz, Zink und Glas, der sich dem natürlichen Gefälle zur Küste anpasst, wurde 1993 eröffnet. Eine Rinne zieht sich durch den länglich schmalen Innenraum, hier rieselt ein Bächlein, die Heiligtumsquelle. Ausgestellt werden im Kunstmuseum Malereien und Skulpturen aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die in direkter Beziehung zur Insel stehen. Schwerpunkt der Sammlungen sind die Bilder der Bornholmer Schule. Der Bau des Gebäudes war äußerst umstritten. Er spaltete die Inselbevölkerung in Pro und Contra, da die Architektur sowohl auf Begeisterung als auch auf heftige Abneigung stieß. Der Konflikt ist bis heute nicht beigelegt. In Svaneke, mit 1200 Einwohnern die kleinste Stadt Dänemarks, rund 20 Kilometer östlich des Kunstmuseums, ist der Sitz der Tourismus-Skeptiker. Die »Freunde Svanekes« haben eine Bürgerinitiative gegründet. Oder eine Touristenwehr? Jegliche Umbaumaßnahmen müssen bei ihnen erfragt und angemeldet werden. Die Freunde dieser niedlichen Hafenstadt nämlich wachen darüber, dass keiner sein Haus mit geschmacklosen Anbauten, hässlichen Wintergärten verschandelt und damit das Flair und den Ruf des Städtchens ruiniert. Denn der ist gut: 1975 erhielt die Stadt die Goldmedaille des Europarates für die »konsequente Bewahrung des historischen Charakters«. Im Hafen von Svaneke plätschert das Wasser an die Bohlen, ein paar mehr Fischerboote schaukeln auf den Wellen als in Hasle. Ab und zu läuft eine Fähre ein. Der Kontakt zum Rest der Welt? Ein bisschen. Mit der Fähre erreicht man die Erbseninseln nordöstlich von Bornholm - ein letzter Rest Welt: Christiansö, Frederiksö und Gräsholm. Auf der Karte sind sie so groß wie Erbsen, in Wirklichkeit braucht man die eine oder andere Stunde, um sie zu umrunden. Schokoladen-Laden Keramiker, Maler, Glasbläser, Kunsthandwerker trifft man in fast jedem Ort. Sie leben von den Touristen, die sich in den Ateliers und Läden drängeln. So wie in der Chocolaterie in Snogebäk südlich von Nexö an der Ostküste der Insel. In Glasvitrinen liegen alle Sorten Schoko-Pralinen aus, gefüllt mit Karamel, Nougat, Rum, Trüffel, Irish Coffee, Cognac, Mokka, »ohne Zusatzstoffe, ohne Chemie, nur mit den natürlichen Rohstoffen«, bestätigt Peter Braestrup im weißen Kittel, Mitinhaber der kleinen Produktion. Als Braestrup vor dreieinhalb Jahren mit seiner Frau den Schoko-Laden eröffnete, reagierte ihre Umgebung - die Freunde, die Familien - mit Skepsis. Das klappt doch nicht, sagten sie. Mittlerweile hat das Paar sechs Angestellte und vertreibt die süße Ware auch über das Internet. Beide sind echte Bornholmer, sie haben sich in Kopenh...

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