Die Bausteine des Lebens beobachtet

Geteilter Preis für Analyse-Verfahren

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Auch im Jahre 2002 führen die USA wieder die Länderwertung der Nobelpreise an. Allerdings knapper als sonst. Immerhin zwei Briten, zwei Japaner und ein Schweizer stehen den vier US-Bürgern zur Seite, wenn am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel (1833-1896), die Urkunden überreicht werden. Die Preissumme beläuft sich in diesem Jahr auf 10 Millionen Schwedische Kronen (1,1 Millionen Euro) pro Sparte.

Chemie ist zu einem Gutteil Analyse. Gleich zwei grundlegende moderne Hilfsmittel der chemischen Analyse werden mit dem diesjährigen Nobelpreis für Chemie gewürdigt. Während die eine Hälfte des Preises an Kurt Wüthrich (64) aus der Schweiz geht für die von ihm entwickelte dreidimensionale Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR), teilen sich John Fenn (85) aus den USA und Koichi Tanaka (43) aus Japan die andere Hälfte für zwei Weiterentwicklungen der so genannten Massenspektrometrie. Sowohl die NMR-Spektroskopie als auch die Massenspektrometrie bringen schon zum zweiten Mal einen Nobelpreis. Doch während die Massenspektrometrie, für die Francis W. Aston 1922 den Chemie-Nobelpreis erhielt, nur dazu gut war, Isotopengemische zu trennen, bieten die von Fenn und Tanaka entwickelten Verfahren die Möglichkeit, auch Makromoleküle zu trennen. In Massenspektrometern werden verschiedene Atomsorten oder Moleküle getrennt, indem man sie ionisiert (elektrisch lädt), in einem elektrischen Feld beschleunigt, und dann durch eine geeignete Anordnung von Detektoren misst, wie schnell sie fliegen. Daraus ergibt sich extrem genau, wie schwer die kleinsten Bestandteile eines Stoffes sind und wie viele davon enthalten sind. Der Vergleich dieser Massezahl mit einer Datenbank bekannter Messwerte erlaubt die Identifizierung der Substanz. So wurde beispielsweise das möglicherweise Krebs erregende Acrylamid in Kartoffelchips, das in diesem Sommer für Schlagzeilen sorgte, mit Hilfe der Massenspektrometrie gefunden. Um auch größere Biomoleküle untersuchen zu können, bedienten sich Fenn und Tanaka jeweils eines besonderen Tricks bei der Ionisierung. Während Fenn zu diesem Zweck 1988 eine wässrige Proteinlösung in einem elektrischen Feld zerstäubte (Electrospray Ionisation, ESI) benutzte sein japanischer Kollege Tanaka 1987 Laserpulse (Soft Laser Desorption, SLD), mit denen er die Moleküle fester Proteinproben zum Schweben brachte. Gerade bei diesem Teil scheinen sich die Juroren von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften nicht ganz wohl gefühlt zu haben. Denn in der Preisbegründung werden die deutschen Wissenschaftler Michael Karas (Frankfurt am Main) und Franz Hillenkamp (Münster) ausdrücklich als die ersten genannt, die diese Technik entwickelten. Ihr MALDI-Verfahren findet sich heute in den meisten Geräten. Berücksichtigt wurde jedoch nur Tanaka, weil er zuerst mit großen Molekülen erfolgreich war, wie es in der Begründung heißt. Wüthrich dagegen ist ein klarer Fall: Manche seiner Kollegen sehen in dem Preis sogar eine verspätete Ehrung, die er eigentlich schon 1991 mit seinem Züricher Kollegen Richard Ernst hätte teilen sollen. Wüthrich hatte Ernsts Verfahren so weit verbessert, dass man damit auch die räumliche Struktur von Biomolekülen in Lösungen ermitteln kann. Das bisher vorherrschende Verfahren ermittelt die Molekülstruktur durch Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen der untersuchten Substanz. Wüthrich selbst sieht sein Verfahren weniger in Konkurrenz zur kristallographischen Methode als vielmehr als Ergänzung. Denn während die Kristallographen die Moleküle nur statisch untersuchen können, könne man mit der NMR auch sehen, wo kleine Moleküle an große andocken, wie schnell die Reaktion abläuft und wie fest die Bindung ist, erklärte Wüthrich am Freitag am Rande einer Tagung im Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch. Zu den spektakulären Erfolgen des schweizerischen Forschers mit der NMR-Technik gehört das Strukturmodell der für die Entstehung des Rinderwahnsinns verantwortlich gemachten Prionen. Bei der Kernresonanzspektroskopie nutzt man die Wechselwirkung der magnetischen Eigenschaften von Atomen mit starken äußeren elektromagnetischen Felder...

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