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Königskinder wollen wieder Schlossherren werden
Fürstenhaus Wettin streitet mit Freistaat um im Zuge der Bodenreform enteignete Immobilien
Die Nachfahren der sächsischen Könige prozessieren um das frühere Eigentum der Familie. In einem langen Rechtsstreit um Immobilien, die bei der Bodenreform enteignet wurden, wird jetzt erneut verhandelt.
Privatgelände«, steht auf den Schildern am Zaun von Schloss Wachwitz geschrieben. Spaziergänger scheinen zu ahnen, dass die Tafeln mehr Gewissheit über die Besitzverhältnisse vorgeben, als derzeit gerechtfertigt ist: Sie nehmen das Areal rund um die heruntergekommene Villa am Dresdner Elbhang hemmungslos in Besitz. Wem das zwischen 1934 und 1936 gebaute Anwesen gehört, ist derweil Gegenstand eines schon seit Jahren andauernden Rechtsstreites, in dem seit voriger Woche wieder einmal verhandelt wird. Bauherren von Schloss Wachwitz waren Familienmitglieder des Adelshauses Wettin, das bis 1918 die sächsischen Könige stellte und dabei in Prunkbauten wie den weithin bekannten Schlössern von Pillnitz und Moritzburg residierte. Nach der Demission des letzten Regenten mussten sich die Blaublüter jedoch auf bescheidenere Wohnverhältnisse umstellen. In der so genannten Fürstenabfindung hatten die Wettiner 1924 vom Freistaat Sachsen zwar umfangreiche Vermögenswerte zugesprochen bekommen. Die neu erbaute Wachwitzer Residenz indes war nur noch ein blasses Abbild einstigen Glanzes. Heute streiten zwei Erbengemeinschaften des Fürstenhauses mit dem Freistaat Sachsen um die Villa und den ebenfalls im Dresdner Stadtteil Wachwitz gelegenen Königlichen Weinberg sowie weitere vier Grundstücke. Die jetzt vor dem Sächsischen Verwaltungsgericht eröffnete Verhandlung ist nur die erste in einer Reihe von Verfahren. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hatte die Rückgabe von insgesamt 30 ehemals in Familienbesitz befindlicher Immobilien bereits 1994 abgelehnt. Begründet wurde das mit der Enteignung im Zuge der Bodenreform. Während der Einigungsvertrag für Besitz, der in der DDR enteignet wurde, den Grundsatz »Rückgabe vor Entschädigung« festschreibt, legt er für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 7. Oktober 1949 fest, dass sie »nicht mehr rückgängig zu machen« sind. Zwar betonen die Anwälte der Wettiner, dass der damalige Familienvorstand Friedrich Christian von Sachsen kein Kriegsverbrecher gewesen sei. Zudem weisen sie darauf hin, dass es sich bei den jetzt strittigen Immobilien um städtische Anwesen handle, die kleiner als 100 Hektar sind und nicht landwirtschaftlich genutzt wurden. Die Wegnahme solcher Immobilien sei von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht gewollt gewesen. Die Vorsitzende Richterin Renate Czub scheint diese Einwände allerdings nicht gelten lassen zu wollen. Sie deutete bereits am ersten Verhandlungstag an, dass die Wettiner nur dann einen Anspruch auf Rückgabe hätten, wenn sie von der Enteignung ausdrücklich ausgenommen gewesen seien; anderenfalls würden »besatzungshoheitliche Grundlagen« unterstellt, die nicht anzutasten seien. Gutachter der Kläger, die das Gegenteil belegen sollten, wurden erst gar nicht zugelassen - ein Dämpfer lange vor dem Urteil, das im Dezember erwartet wird. Der jetzige Streit um die Gebäude und Grundstücke, die sich im Besitz des Landes, der Stadt Dresden und einer Wohnungsgesellschaft befinden, wird die Richtung für weitere Prozesse vorgeben, in denen es auch um das Jagdschloss Moritzburg gehen könnte. Neben den Wettinern, deren künftiges Oberhaupt Alexander Prinz von Sachsen vor vier Jahren eine Altbauwohnung in der Dresdner Neustadt bezogen hat, streiten aber auch andere Adelshäuser immer wieder um einstigen Besitz. So hat Ernst August von Hannover mehrfach Anläufe unternommen, um Schlösser und Landbesitz in der Harzregion zurückzuerhalten. Angeblich neue Beweismittel wurden aber im Sommer dieses Jahres als Fälschungen erkannt. Zuvor war der Welfenprinz im Sommer 2000 vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Diesen Schritt behalten sich auch die Wettiner vor. Während bisherige Urteile den Adelsfamilien im Fall der Immobilien schlechte Chancen einräumten, bekommen sie Bibliotheken, Gemälde und andere bewegliche Kulturgüter oft zugesprochen. Die Wettiner etwa hatten 1999 nach zweijährigem Streit einen Vergleich mit dem Freistaat Sachsen geschlossen. Das Land konnte dadurch 12000 bedeutende Kunstwerke wie Meißner Porzellan und historische Möbel für umgerechnet fast zwölf Millionen Euro erwerben, die teils in bar, zur Hälfte in Immobilien beglichen wurden. Eine finanzielle Ausgleichsleistung steht den Wettinern bei einer Prozessniederlage auch im Fall von Schloss und Weinberg Wachwitz zu - allerdings betr...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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