Vom plumpen Schalter zur jadegrünen Schnalle

Kunst-Stoff Bakelit im Märkischen Museum

  • Jack Rodriguez
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Bakelit kann so schön sein. Dieser frühe Kunststoff ist nicht nur rötlich-braun oder schwarz, wie er noch heute als Material von plumpen Schaltern und Stromkästen in alten Kellern zu finden ist. Bernsteinfarbene Halsketten, jadegrüne Gürtelschnallen, kombiniert mit feinem Chrom, zeigen vergessene Facetten des Materials. Zu sehen ist dieser amerikanische Modeschmuck aus den 40er Jahren im Märkischen Museum in der Ausstellung Kunst-Stoff Bakelit. Bakelit war ein Ersatzstoff. So versuchten die Hersteller mit dem gepressten Phenolharz edle Materialien zu kopieren. Hergestellt wurden Raucherutensilien in Wurzelholz-Imitation oder marmorierte Vasen. Doch Haushaltsgeräte mit schlichten Oberflächen machten den größeren Teil der Produkte aus. Die Haarschneider, Staubsauger, Fotoapparate und Radios waren so unverwüstlich, dass sie noch lange nach dem Ende der Bakelit-Produktion in den 50er und 60er Jahren benutzt wurden. So erwarb die Berliner Modedesignerin Claudia Skoda zwischen 1972 und 1976 etwa 1000 Bakelit-Produkte auf Flohmärkten und aus Haushaltsauflösungen. Ihre Sammlung übergab sie der Stiftung Stadtmuseum, die nun überwiegend damit die Schau bestreitet. Einige der 400 Exponate haben ihren Ursprung in Erkner. In den dortigen Rüdgerswerken wurde Teer hergestellt. Dabei entstand als Abfallprodukt Phenol. Durch die Erfindung des belgischen Chemikers Leo Hendrik Baekeland im Jahre 1907, Phenol und Formaldehyd zu einem Kunststoff kondensieren zu lassen, wurde es ein wichtiger Rohstoff. Zusammen mit Baekeland gründete die Firma vor den Toren Berlins 1910 die Bakelite GmbH. Sie war bis zum Ablauf der Patente 1930 europäischer Monopolist für Phenolharze, die wegen ihrer Säure- und Hitzebeständigkeit insbesondere in der Elektroindustrie gefragt waren. Die Nazis hofften, mit Bakelit von ausländischen Rohstoffimporten unabhängig zu sein. Der massenhaft für den Empfang von NS-Propagandasendungen produzierte »Volksempfänger« hatte natürlich ein Gehäuse aus Bakelit. Noch immer produziert das Werk, das jetzt zur Dynea-Gruppe gehört, Produkte auf Phenolbasis. Doch heutige Plaste unterscheiden sich vom ersten Phenolharz-Produkt. Sie sind einfacher, billiger und ungefährlicher herzustellen. Die Möglichkeiten der Farbgebung verbesserten sich. Außerdem haben sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber Bakelit: Sie sind nicht gesundheitsschädlich. Denn an Bakelitprodukten haftete jahrelang der strenge Phenolgeruch, von dem m...

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