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Knast oder Army
Interview mit dem Regisseur Gregor Jordan
Was dabei herauskommt, wenn man einen hoffnungsvollen australischen Jungregisseur auf einen Roman loslässt, der eine Jugend in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg schildert, kann man in Gregor Jordans »Army Go Home!«bewundern: eine bitterböse Farce voller amerikanischer Soldaten, die Drillpausen mit Drogenkochen und Waffendealen füllen.
ND: Amerikanische Militärbasen in Deutschland müssen eine ziemlich fremde Welt für Sie gewesen sein?Jordan: Wissen Sie, die Koreakrieg-Satire »MASH« hat immer zu meinen Lieblingsfilmen gehört... In der Welt des Militärs kannte ich mich aus, weil mein Vater bei der Air Force war und ich in Luftwaffen-Basen aufgewachsen bin. Aber es war schon seltsam, am anderen Ende der Welt zu drehen. Was die sozialen und politischen Verhältnisse in Deutschland angeht, musste ich mich erstmal schlau machen, das habe ich regelrecht recherchiert.
Hat Ihr Vater den Film schon gesehen?
Irgendwie scheint dem Film der Ruf vorauszueilen, dass er eine Beleidigung der Streitkräfte darstellt. Das finde ich aber überhaupt nicht. Viele unserer Statisten sind oder waren Soldaten in Südwestdeutschland. Die fanden es gut, dass wir das Heer zeigten als das, was es eben auch ist: eine große, bürokratische Maschinerie. In jeder Organisation von dieser Größe kommt Korruption vor. Die Soldaten selbst sind mit Sicherheit die letzten, die sich darüber Illusionen machen, auch wenn sie natürlich nicht alle Drogendealer oder Schwarzmarkthändler sind.
Sahen die Führungsebenen des Heeres das auch so?
Die haben den Film noch nicht gesehen (lacht). Militärische Unterstützung haben wir jedenfalls nicht gehabt, die kriegen nur Filme wie »Top Gun«. Der Film spielt zwar in der US-Armee, aber eigentlich könnte es auch um jedes andere Heer gehen. Eins allerdings ist tatsächlich besonders typisch für die US-Armee der Zeit: in Folge des Vietnam-Kriegs war die allgemeine Wehrpflicht aufgehoben worden, aber es war auch schwierig, Freiwillige zu finden. Daher erfand man ein Programm, das es straffällig gewordenen Jugendlichen ermöglichte, ihre Zeit in der Armee abzusitzen statt im Gefängnis. Eine angekündigte Katastrophe, deshalb wurde es Ende der Achtziger zurückgenommen.
Wie funktionierte die Zusammenarbeit zwischen deutschen und englischsprachigen Mitarbeitern beim Dreh?
Der Film wurde auf Englisch gedreht, mit einer amerikanischen Besetzung, also musste jedes Teammitglied Englisch können. Ich habe ein Jahr in Deutschland verbracht, sechs Monate davon mit der Produktion, aber als ich jetzt wieder zurückkam, konnte ich gerade noch ein Bier bestellen, mehr Deutsch habe ich nie gelernt. Und selbst das klang grauenvoll.
Dann haben Sie genau so kaserniert gelebt wie die amerikanischen Soldaten zu ihrer Zeit?
Stimmt. Diese Armee-Basen waren schon seltsam, wie ein kleines Stück USA. Man befand sich darin juristisch auf amerikanischem Boden, sie boten Raum für 80000 Mann, da gab es Restaurants, Kegelbahnen, Kinos, Supermärkte und eine eigene Polizei. Wenn amerikanische Soldaten außerhalb der Kaserne mit der deutschen Polizei zu tun bekamen, mussten sie der Militärpolizei überstellt werden. Auf dem Gelände war der US-Dollar gültige Währung, die haben sich mit DM überhaupt nicht abgegeben. Das war wie eine gesonderte Welt für sich. Manche der Soldaten haben die Basen nie verlassen.
Und innerhalb dieses Mikrokosmos entstanden Gewalt und Korruption, wie Sie sie im Film schildern?
Die befanden sich ja alle in einer bizarren Lage: im Grunde genommen waren sie ausgebildete Killer, die man ans andere Ende der Welt geschickt hatte, an die Schnittstelle zwischen den politischen Fronten. Diese Jungs waren bloß ein paar hundert Kilometer vom Osten entfernt kaserniert, und dann saßen sie da und warteten darauf, dass irgendwas passiert. Nur passierte nie was. Was fängt man also mit seiner Energie an und all dem Training, das man durchlaufen hat? Kaum verwunderlich, dass ein paar von ihnen auf die schiefe Bahn gerieten.
Aber übertreibt Ihr Film die Folgen nicht doch etwas?
Da ist nichts drin, was nicht vorgekommen wäre. Ein zeitgenössischer Artikel beschrieb zum Beispiel, wie 19 Personen bei einer amerikanischen Militärübung ums Leben kamen, neun davon westdeutsche Zivilisten. Die deutschen Anwohner, mit denen wir sprachen, waren mit dem Anblick von amerikanischen Panzern auf den Straßen aufgewachsen. Und gelegentlich fuhr eben einer aus Versehen mitten durch ein Haus oder überrollte ein Auto. Panzer sind nicht besonders handlich zu fahren, und die Jungs standen schon mal unter Drogen. Die Szene im Film, in der der Panzer den VW Käfer platt macht, beruht auf einer wahren Begebenheit. Nur dass die echten Insassen es nicht vorher aus dem Wagen schafften. So stand das erst auch im Drehbuch, aber wir fanden dann doch, dass es für die Atmosphäre des Films etwas zu düster war. Insgesamt haben wir also eher untertrieben.
Fragen: Caroline M. Buck ND: Amerikanische Militärbasen in Deutschland müssen eine ziemlich fremde Welt für Sie gewesen sein?
Jordan: Wissen Sie, die Koreakrieg-Satire »MASH« hat immer zu meinen Lieblingsfilmen gehört... In der Welt des Militärs kannte ich mich aus, weil mein Vater bei der Air Force war und ich in Luftwaffen-Basen aufgewachsen bin. Aber es war schon seltsam, am anderen Ende der Welt zu drehen. Was die sozialen und politischen Verhältnisse in Deutschland angeht, musste ich mich erstmal schlau machen, das habe ich regelrecht recherchiert.
Hat Ihr Vater den Film schon gesehen?
Irgendwie scheint dem Film der Ruf vorauszueilen, dass er eine Beleidigung der Streitkräfte darstellt. Das finde ich aber überhaupt nicht. Viele unserer Statisten sind oder waren Soldaten in Südwestdeutschland. Die fanden es gut, dass wir das Heer zeigten als das, was es eben auch ist: eine große, bürokratische Maschinerie. In jeder Organisation von dieser Größe kommt Korruption vor. Die Soldaten selbst sind mit Sicherheit die letzten, die sich darüber Illusionen machen, auch wenn sie natürlich nicht alle Drogendealer oder Schwarzmarkthändler sind.
Sahen die Führungsebenen des Heeres das auch so?
Die haben den Film noch nicht gesehen (lacht). Militärische Unterstützung haben wir jedenfalls nicht gehabt, die kriegen nur Filme wie »Top Gun«. Der Film spielt zwar in der US-Armee, aber eigentlich könnte es auch um jedes andere Heer gehen. Eins allerdings ist tatsächlich besonders typisch für die US-Armee der Zeit: in Folge des Vietnam-Kriegs war die allgemeine Wehrpflicht aufgehoben worden, aber es war auch schwierig, Freiwillige zu finden. Daher erfand man ein Programm, das es straffällig gewordenen Jugendlichen ermöglichte, ihre Zeit in der Armee abzusitzen statt im Gefängnis. Eine angekündigte Katastrophe, deshalb wurde es Ende der Achtziger zurückgenommen.
Wie funktionierte die Zusammenarbeit zwischen deutschen und englischsprachigen Mitarbeitern beim Dreh?
Der Film wurde auf Englisch gedreht, mit einer amerikanischen Besetzung, also musste jedes Teammitglied Englisch können. Ich habe ein Jahr in Deutschland verbracht, sechs Monate davon mit der Produktion, aber als ich jetzt wieder zurückkam, konnte ich gerade noch ein Bier bestellen, mehr Deutsch habe ich nie gelernt. Und selbst das klang grauenvoll.
Dann haben Sie genau so kaserniert gelebt wie die amerikanischen Soldaten zu ihrer Zeit?
Stimmt. Diese Armee-Basen waren schon seltsam, wie ein kleines Stück USA. Man befand sich darin juristisch auf amerikanischem Boden, sie boten Raum für 80000 Mann, da gab es Restaurants, Kegelbahnen, Kinos, Supermärkte und eine eigene Polizei. Wenn amerikanische Soldaten außerhalb der Kaserne mit der deutschen Polizei zu tun bekamen, mussten sie der Militärpolizei überstellt werden. Auf dem Gelände war der US-Dollar gültige Währung, die haben sich mit DM überhaupt nicht abgegeben. Das war wie eine gesonderte Welt für sich. Manche der Soldaten haben die Basen nie verlassen.
Und innerhalb dieses Mikrokosmos entstanden Gewalt und Korruption, wie Sie sie im Film schildern?
Die befanden sich ja alle in einer bizarren Lage: im Grunde genommen waren sie ausgebildete Killer, die man ans andere Ende der Welt geschickt hatte, an die Schnittstelle zwischen den politischen Fronten. Diese Jungs waren bloß ein paar hundert Kilometer vom Osten entfernt kaserniert, und dann saßen sie da und warteten darauf, dass irgendwas passiert. Nur passierte nie was. Was fängt man also mit seiner Energie an und all dem Training, das man durchlaufen hat? Kaum verwunderlich, dass ein paar von ihnen auf die schiefe Bahn gerieten.
Aber übertreibt Ihr Film die Folgen nicht doch etwas?
Da ist nichts drin, was nicht vorgekommen wäre. Ein zeitgenössischer Artikel beschrieb zum Beispiel, wie 19 Personen bei einer amerikanischen Militärübung ums Leben kamen, neun davon westdeutsche Zivilisten. Die deutschen Anwohner, mit denen wir sprachen, waren mit dem Anblick von amerikanischen Panzern auf den Straßen aufgewachsen. Und gelegentlich fuhr eben einer aus Versehen mitten durch ein Haus oder überrollte ein Auto. Panzer sind nicht besonders handlich zu fahren, und die Jungs standen schon mal unter Drogen. Die Szene im Film, in der der Panzer den VW Käfer platt macht, beruht auf einer wahren Begebenheit. Nur dass die echten Insassen es nicht vorher aus dem Wagen schafften. So stand das erst auch im Drehbuch, aber wir fanden dann doch, dass es für die Atmosphäre des Films etwas zu düster war. Insgesamt haben wir also eher untertrieben.
Fragen: Caroline M. Buck
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