Die Platte aus Pappe: winzig und biegsam, eintönig und trist. Elfgeschosser von vorn und von der Seite, dazu Dachaufsätze und Winkelelemente. Ein paar Plattenbauten zum Falten eben - oder wie die beiden Erfinder des ungewöhnlichen Bastelbogens formulieren: »Faltplatte«.
Der Berliner Architekt Cord Woywodt und der Landschaftsplaner Andreas Seidel haben Betonsilos in Szene gesetzt. »Jeder kann sich jetzt seine eigene Platte falten«, sagt 38-jährige Woywodt. Aber wer will das schon? Jemand der in den Wohnungen lebt? Grafiker, Architekten, Stadtplaner und vor allem Touristen interessieren sich jedenfalls für die Bastelbögen, die seit kurzem auf dem Markt sind. Von den 1000 gedruckten Exemplaren ist schon die Hälfte verkauft.
Ungefähr eineinhalb Stunden sind nötig, sagt Woywodt, um eine Wohnschlange aus sechs einzelnen Gebäuden zu basteln. Die Serie umfasst den am häufigsten gebauten Plattentyp WBS 70 mit elf Etagen und ein Doppelhochhaus mit 18 und 21 Geschossen. »Es sind die bekanntesten Vertreter dieser Bauweise«, erklärt der Architekt. Die Idee für die gedruckten Bögen mit den bräunlichen Fassaden entstand zufällig.
Doch seit Jahren verfolgen Seidel und Woywodt die öffentliche Diskussion zum Umgang mit DDR-Plattenbauten. Beide finden das, was inzwischen aus den Betonsilos geworden ist, »nicht gerade optimal«, formuliert Cord Woywodt vorsichtig. »Meistens wurden die Gebäude übertüncht, also verpackt«, sagt der Architekt. Aus seiner Sicht sollte nach einer Sanierung auch noch die besondere Struktur eines Hauses erkennbar sein. Mit ihren Bastelbögen wollen sich die beiden Männer einmischen und »einen Beitrag zur Plattenbaudiskussion leisten«. »Vielleicht entdeckt auch der eine oder andere Fachmann auf spielerische Weise neue Aspekte im Umgang mit diesen Bauwerken«, hofft Andreas Seidel.Woywodt findet, mit dem Projekt werde die Platte, die ein Stück deutsche Kultur sei, am Leben erhalten.
Ein halbes Jahr lang hat es gedauert, bis die mehr als 30 Meter hohen Gebäude im Maßstab 1:400 auf Papier gebracht waren. Immer wieder wurden Faltwinkel und Module verändert. Auch das schwierige Problem mit den Loggien sei gelöst, sagt Seidel. Denn jetzt erzeugen gemalte Schatten den Effekt, als befinden sie sich wie beim Original in mehreren Ecken. Das Faszinierende an der Platte ist für die beiden Tüftler »die herausragende Präsenz dieser Bauwerke«. Als Vorbild diente ein Stadtviertel in Marzahn an der Kienbergstraße. Für die unsanierte Variante haben sie sich entschieden, um das Ursprüngliche zu zeigen. Ganz nebenbei erhoffen sich Seidel und Woywodt von ihren originellen Blöcken neue Aufträge. Bislang war der Architekt mit der Sanierung von Altbauten beschäftigt, könnte sich aber auch ein Plattenbau-Projekt vorstellen.
Ein paar Bastelbögen stapeln sich übrigens in der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn. Die Sprecherin des Unternehmens, Erika Kröber, hält die Pappvorlagen für eine lustige Idee. »Wir werden sie Geldgebern von außerhalb schenken, die wenig Vorstellung von der Platte haben«, sagt die Sprecherin.
Ganz gewiss bringen Seidel und Woywodt demnächst ihre nächste »Faltplatte« auf den Markt. Mehr wollen sie aber noch nicht verraten. Die »Faltplatte« gibt es in Buch- und Geschenkeläden, mehr Infos unter www.faltplatte.de.
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