»Vorsorgliche« Kündigung ist unwirksam

  • Gerd Siebtert
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Betriebsräte haben es oft schwer, eine betriebsbedingte Kündigung - das ist der häufigste Kündigungsgrund - zu vermeiden. Das liegt häufig auch an der - vermeintlichen - Stichhaltigkeit des Arbeitgeberarguments »betriebsbedingt«. Der Betriebsrat orientiert sich bei Kündigungsangelegenheiten am Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Das KSchG formuliert in § 1 die Bedingungen des Kündigungsschutzes. So ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der länger als sechs Monate im Betrieb bzw. Unternehmen beschäftigt ist, dann nicht zulässig, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Da gibt es jedoch wesentliche Einschränkungen: Liegt der Kündigungsgrund in der Person (Unfähigkeit) oder dem Verhalten des Arbeitnehmers (Schlägereien) oder im »dringenden betrieblichen Erfordernis«, das einer Weiterbeschäftigung entgegen steht, ist die Kündigung rechtens, auch wenn sie eigentlich sozial ungerechtfertigt wäre. Das »dringende betriebliche Erfordernis«, also der betriebsbedingte Grund, den der Arbeitgeber geltend macht, muss schon sehr zwingend und unabwendbar sein, um trotz einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bestand zu haben. Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG jeder Kündigungsart widersprechen und Gründe nennen, die in Abs. 3 Nr. 1 bis 5 aufgeführt sind. Mit der Berufung auf diese Gründe und entsprechenden Bemühungen konnten schon viele Kündigungen abgewendet bzw. hinfällig gemacht werden. Und trotzdem hat der Arbeitgeber mit dem Hinweis auf die Betriebsbedingtheit der Kündigung einen gewissen »Heimvorteil«. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 12. April 2002 (Az. 2 AZR 256/01) die den Kündigungsschutz aufhebende Wirkung der »dringenden betrieblichen Erfordernisse« einer betriebsbedingten Kündigung weiter konkretisiert. Danach muss bei Zustellung der Kündigung definitiv feststehen, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mehr besteht. Die bloße Vermutung, dass dies der Fall sein werde, genügt nicht. In dem verhandelten Fall hatte der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin (Reinigungskraft) gekündigt, weil deren Einsatzort wegen Ablaufs der Vertragszeit und Neuausschreibung des Auftrags eventuell wegfallen werde. Der Arbeitnehmerin teilte er mit, er werde sich an der Neuausschreibung beteiligen, sei aber nicht sicher, ob er den Auftrag wieder bekomme. Das BAG ließ in der Verhandlung der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin diese Argumentation des Arbeitgebers nicht gelten. Nach dem KSchG müsse das betriebliche Erfordernis als Kündigungsgrund »dringend« und die Kündigung unvermeidlich sein. Dabei sei auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen; der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit müsse dann feststehen. Als der Arbeitgeber die Kündigung mitteilte, bestand nur erst die Möglichkeit des Wegfalls dieses Auftrags und damit der Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin. Die Kündigung wurde somit vorsorglich ausgesprochen, was das BAG als rechtsunwirksam beurteilte. Es könne durchaus sein, dass bei Zugang einer Kündigung für eine bestimmte Zeit noch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung besteht. Dann müsse aber die Entscheidung über den Wegfall des Arbeitsplatzes bere...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.