Gehn wir mal rüber zu Sch. seiner Frau...
Wie man zu einem Blick in Pistolenmündungen und Anschauungen über Beamte kommen kann
Der Zoll hat im Jahre 2001 rund 100 Milliarden Euro für den Staat eingenommen - rund 51 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes. Solche Leute braucht Finanzminister Hans Eichel, und auch Gerlinde Sch. hat nichts dagegen, dass dort kassiert wird, wo rechtlich etwas zu holen ist. Nur nicht morgens gegen halb sieben und nicht in ihrer Küche...
Der Tag hatte bei der Familie Sch. wie die meisten begonnen: Während sich die Kinder schulfertig machten, schmierte die Mutter in der Küche Pausenbrote. Den ersten Knall ignorierte Frau Sch. noch, wahrscheinlich, so dachte sie, haben die Bauarbeiter, die die Straße vor dem Berliner Mietshaus aufwühlen, ein Stück Eisen fallen lassen. Als es ein zweites Mal und diesmal unzweifelhaft an der Wohnungstür knallte, blieben ihr nicht einmal Sekunden, um zu erfassen, was vorgeht. Männer mit kugelsicheren Westen und Schießeisen stürmten den Flur entlang. Abwechselnd brüllten sie: »Hände hoch!«, »Messer weg!«, »Hinlegen!«, »Maul halten!« Frau Sch. musste sich nicht lange Gedanken machen, welchen der Befehle sie zuerst befolgen sollte, in Null-Komma-Nichts lag sie auf dem Küchenboden, neben ihr der 14-jährige Sohn. Hände im Nacken, Pistolenmündungen am Kopf. Aus dem Zimmer der Tochter, sie büffelt derzeit fürs Abitur, drang ein Schrei... Dann das Geräusch eines Aufpralls, Stille. So gegen 11 Uhr, als die Tochter, der ein stämmiger Bewaffneter die Tür an den Kopf geschlagen hatte, ins Krankenhaus abtransportiert worden war und die vier bewaffneten Männer sowie die »hysterisch schreiende« Beamtenfrau samt jenen Kollegen, die rings ums Haus Stellung bezogen hatten, gegangen waren, »gingen« mit ihnen zwei Computer des Sohnes, Handys, Schriftstücke. So ist es auf einem grünen Vordruck aufgelistet, den Frau Sch. von den Polizeibeamten in die Hand gedrückt bekam. Möglich, dass Polizisten dabei waren, doch wenn, dann allenfalls zur Amtshilfe. Es war, so lässt sich aus dem Kürzel »ZFA Berlin-Brandenburg« entnehmen, der Zoll, der sich offenbar eines Gassenhauers erinnert hatte. In dessen Refrain heißt es: »Gehn wir mal rüber, gehn wir mal rüber zu Schmidt seiner Frau...« Doch eigentlich stand auf der Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichtes, die ihr, nachdem die Durchsuchung längst ihren unordentlichen Gang genommen hatte, vorgelegt wurde, der Name Roman Sch. Es handelt sich um den Ehemann, einen polnischen Bürger, und wer behauptet, dass der ein braver Bürger und Steuerzahler ist, der würde die Unwahrheit sagen. Immerhin kennt er die vergitterten Anstalten Moabit und Tegel bereits von innen. Die Familiengeschichte ist etwas verzwickt: Als Frau Sch. davon erfuhr, dass sich eine Krankheit durch ihren Körper frisst, hatte sie - damit die Kinder im Falle des Falles einen Halt finden - Roman Sch. zum zweiten Mal geheiratet. Sagt sie und ergänzt, dass sie sich dennoch auf getrennte Lebensweise mit getrennten Wohnungen geeinigt hatten. Das wisse jeder, einschließlich der Behörden, und wenn man - wie die Bäckersfrau von gegenüber behauptet, die Wohnung von Frau Sch. schon geraume Frist observiert hat, dann konnte man auch wissen, dass kein Roman »an Bord« ist. Er ist in Polen und die Zollfahnder haben durch ihren brutalen Eintritt in die Wohnung der schuldlosen Familie dafür gesorgt, dass er dort vermutlich auch bleiben wird. Wer bei den Berlin-Brandenburgischen Zollfahndern nachfragt, bekommt natürlich zum konkreten Fall keine Auskunft. Verständlich, da läuft ein Verfahren, die Staatsanwaltschaft ist sein Herr. Insgesamt jedoch, so betont Norbert Fritsch, der im Amt »die wichtigen Operationen leitet«, bemühe man sich korrekt vorzugehen. Er bestätigt, dass auch Zöllner wissen, wie man eine Klingel bedient, wie man sich ausweist, wie man um Einlass bittet und diese Bitte notfalls mit einer Durchsuchungsanordnung bekräftigt. Vermutlich habe im angesprochenen Fall »Gefahr im Verzuge« vorgelegen, erklärt der Zollchef. Man habe »möglicherweise« davon ausgehen »können«, dass Täter Beweismittel vernichten, Geiseln nehmen oder Waffen einschließlich eines Kampfhundes scharf machen. Das alles war im vorliegenden Fall nicht gegeben, sonst hätten Fritsches Kollegen ein entsprechendes Kästchen auf ihrem nachgelassenen Formular ankreuzen müssen. Den Vorhalt lässt Fritsch nicht gelten, »vielleicht haben sie es ja nur vergessen«, was er allenfalls »nachlässig« findet. Nachhaltig dagegen ist der Schreck, der den völlig harmlosen drei Bewohnern des Mietshauses in Berlin-Mitte in die Leiber gefahren ist. Um den abzubauen, könnte ein Gespräch, in dem das Wort »Entschuldigung« fällt, hilfreich sein. Wenn der Zoll dann auch noch einen Handwerker mitbringen würde, der die zerstörte Tür richtet... Fritsch bleibt bei diesem Vorschlag für Sekunden die Sprache weg. Das käme ja gar nicht in Frage, sagt er und gibt Bescheid: Gott sei Dank, leben wir in einem Rechtsstaat. Jeder Bürger, de...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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