Goethe on the rocks: Der Dichter in Goslar

Was der Bergbau der Harzstadt und die Dank seiner einstigen Blüte erstandene Kaiserpfalz in der historischen Altstadt bis heute der Welt wert sind

  • Stefan Tesch, Goslar
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Das Bergwerk Rammelsberg gilt als die weltweit einzige Erzförderstätte, die über 1000 Jahre kontinuierlich betrieben wurde. Zusammen mit der mittelalterlichen Altstadt des niedersächsischen Goslar wurde es 1992 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

Nicht weniger als fünfmal trieb es Johann Wolfgang von Goethe aus beruflichen Gründen in den Goslarer Raum. Doch nicht Lesungen abzuhalten oder mit Verlegern zu sprechen, war sein Begehr. Vielmehr kam er seinem eigentlichen Broterwerb nach. Als Bergwerkskommissar des Weimarer Landesfürsten mit der Wiederaufnahme des Bergbaus in Ilmenau betraut, wollte er hier die Untertagearbeit studieren. So führte den damals 28-Jährigen sein Weg Ende 1877 erstmals in den Rammelsberg, das traditionelle Bergbaurevier von Goslar. Von »gantz entsetzlich Wetter« berichtete er damals der Charlotte von Stein, um gleich weiter zu klagen: »Hier bin ich nun wieder in Mauern und Dächern des Alterthums versenckt«. Mithin erlebte Goethe Goslar als völlig verarmte und unmoderne Stadt, »die in und mit ihren Privilegien vermodert«. Goethe war nicht der einzige »Montantourist« jener Zeit. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert zog es Interessenten aus ganz Europa nach Goslar, unter ihnen Gottfried Wilhelm Leibnitz, Heinrich von Kleist und Hans Christian Andersen. Bereits anno 1837 erschien in der alten Kaiserstadt Goslar sogar ein erster Reiseführer, der ausschließlich den Rammelsberg behandelte. Denn alle wollten das nur hier praktizierte »Feuersetzen« erleben. Unter Tage wurden dazu Brände entzündet, die das umgebende Erz stark erhitzten und zur Bildung von Spannungsrissen führten. Das Erz konnte dadurch abplatzen oder mit Brechstangen leichter abgelöst werden. Von dem alle Sinne ansprechenden Schauspiel eines untertägigen Brandes in voller Flamme war auch Goethe fasziniert. Heute gilt das erst 1988 still gelegte Bergwerk Rammelsberg sogar weltweit als einzige Erzförderstätte, die über 1000 Jahre kontinuierlich betrieben wurde. Zusammen mit der mittelalterlichen Altstadt Goslars und ihrer Kaiserpfalz reihte es die UNESCO deshalb 1992 in das Weltkulturerbe ein. Der Bestand an Bergbaudenkmälern, die sich hier finden, gilt als einzigartig. Zu ihnen gehören Abraumhalden aus dem 10. Jahrhundert, der »Rathstiefste Stollen« (einer der ältesten und besterhaltenen Stollen des deutschen Bergbaus aus dem 12. Jahrhundert), das »Feuergezähe Gewölbe« (ältester gemauerter Grubenraum Europas, 13. Jahrhundert), der Malermeisterturm (das älteste Tagesgebäude des deutschen Bergbaus, 15. Jahrhundert), der Roeder-Stollen (18./ 19. Jahrhundert) mit zwei originalen Wasserrädern und den Übergangsanlagen aus den 30er Jahren. Auch dem Dichterfürsten ist unter dem Titel »Goethe on the rocks« eine Ausstellung gewidmet. Mithin war Goslar beileibe nicht immer so arm, wie Goethe es vor 200 Jahren erlebte. Fast 30 Millionen Tonnen Erz - vor allem Silber, Kupfer, Blei und Zink - entrissen die Bergleute im Laufe der Jahrhunderte dem Rammelsberg. Dieser unterirdische Naturquell bescherte der Harzstadt Anfang des 11. Jahrhunderts viel Reichtum und Ehr'. Kaiser Heinrich II., zugleich oberster Bergherr in deutschen Landen, berief 1009 die erste Reichsversammlung nach Goslar ein. Bis 1253 diente die Stadt der deutschen Krone als Residenz. Durch den Metallhandel besaß Goslar zugleich eine bedeutende Stellung innerhalb der Hanse. Jener Blüte verdankt Goslar auch ihren malerischen ovalen Altstadtkern. Erstes Wahrzeichen ist indes bis heute die Kaiserpfalz, ein romanischer Burgkomplex, der über Jahrhunderte die größte und sicherste Pfalzanlage sächsischer und salischer Kaiser war. Für 23 glanzvolle Reichstage gab sie die Kulisse ab. Auf dem Markt lässt sich noch ein weiteres Wahrzeichen Goslars entdecken. Auf dem opulenten Marktbrunnen symbolisiert ein Reichsadler noch immer die einstige Reichsfreiheit der Stadt. Goslar-Besucher können heute natürlich auch unter Tage fahren. Drei Führungen bietet das Bergwerk im Rammelsberg an, so eine Visite zu Fuß durch den Roeder- Stollen, eine Meisterleistung damaliger Ingenieurkunst. Eine Licht- und Toninszenierung des »Feuersetzens« vermittelt dabei einen sinnlichen Eindruck der uralten Erzabbaumethode. Eine weitere Tour mit der Grubenbahn führt bis 500 Meter in die Tiefe. Sie wird mit tösenden Vorführungen originaler Fördertechniken jüngerer Zeit gewürzt. Eine dritte Runde ebenfalls für Technikfreaks widmet sich der Erzaufbereitungsanlage, die mehrere Etagen in Anspruch nimmt. Weitere Informationen über Goslar, die 1000-jährige Kaiserstadt im Internet unter www.goslar.de sowie bei der Kur- und Fremdenverkehrsgesellschaft Goslar-Hahnenklee mbh, Tourist Information, Markt 7, 38640 Goslar, Telefon: 05321/78060. Unter dieser Adresse gibt es Zimmervermittlungen, Pauschalangebote, S...

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