Der Teufel feiert Auferstehung

Die langen Schatten der »Fraternitas Saturni« und der Ritualmord von Bochum

Eine teuflische Bewegung zieht in Deutschland ihre Kreise, verherrlicht Gewalt und Brutalität. Nach Beobachtung von Sektenbeauftragten der Kirchen finden sie immer mehr Anhänger. Die Kirchen haben den Teufel längst beerdigt, er passt nicht in die moderne Theologie. Doch er feiert Auferstehung in anderen Kreisen - in Satansorden.

Vor 75 Jahren wurde in Berlin der Grundstein für eine Bewegung gelegt, die durch zahlreiche Ableger längst zu einem pseudoreligiösen Medusenhaupt geworden ist. Eugen Grosche, 1888 in Leipzig geboren und von Beruf Buchhändler, hat 1926 in Berlin die Satansloge »Fraternitas Saturni« gegründet, ein Pendentunternehmen zur Mission des englischen Obersatanisten Aleister Crowley, der sich schon seit 1925 mit der Zeitschrift »Pansophia« an deutsche Satanisten und Okkultisten gewandt hat. Seine und Grosches Gedanken, in mehreren Büchern niedergelegt, wirken bis heute nach. Beispielsweise im Thelema-Orden, der vor etwa 30 Jahren in Berlin gegründet worden ist und heute sein Netzwerk über ganz Deutschland gezogen hat. Jüngster Auswuchs der satanischen Bewegung war der Mord eines Ehepaares »im Auftrag des Teufels« an einem 33-jährigen Mann in Bochum. Grosche hatte vor 75 Jahren eine Marktlücke entdeckt: Es gibt für okkultistische Kreise zu wenig Literatur. Dieses Problem teilte seine »Fraternitas Saturni« mit der Vereinigung »Deutsche Rosenkreuzer« und der »Pansophistischen Loge«. Es kam daher auf einem Geheimtreffen der Chefs dieser drei Organisationen schon bald zur Gründung der Thelema-Verlagsgesellschaft mit Sitz in Leipzig. Ihr Ziel: Alle Bücher von Altmeister Crowley sollen in deutscher Sprache erscheinen. Das NS-Regime setzte den Teufelskulten ein Ende, da diese den Allmacht-Anspruch ihrer Ideologie störten: Die Leiterin der Thelema-Verlagsgesellschaft stirbt in einem KZ, die führenden Köpfe der Geheimbünde gehen ins Ausland. Erst 1951 erscheinen wieder »Blätter für angewandte okkulte Lebenskunst« unter Beteiligung von Grosche, der in Locarno seine okkultistischen Studien fortgesetzt hat. Er entwickelte noch in hohem Alter eine neue »literarische« Gattung: den okkultmagischen Sexualroman. Nach Grosches Tod 1964 sicherte die Nachfolge eine Frau; doch die »Meisterin Roxane« regierte den Geheimorden nur ein Jahr. Sie starb 1965, ein Triumvirat trat ihre Nachfolge an. 1969 passierte eine Peinlichkeit: Geheimstes Material kommt durch einen Abtrünnigen in die Hände eines Außenstehenden, der dieses für eine wissenschaftliche Arbeit verwendet. »Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz!« Auf dieser Botschaft von Crowley hat Grosche seinen Geheimbund ausgerichtet, und auf dieser Basis gründete auch Michael D. Eschner am 1. Dezember 1982 in Berlin den Thelema-Orden des Argentum Astrum und ließ ihn ins Vereinsregister eintragen. Der Orden strebt laut Satzung den Aufbau von Abteien, Tempeln und Gruppen an, in denen thelemistische Lebensweise gepflegt werden solle. Eschner selbst bezeichnet sich als »reinkarnierter Crowley«. Doch bald kommt er in Berlin mit dem Gesetz in Konflikt. Im Mai 1985 wird der Orden offiziell aufgelöst. Das Verwaltungsgericht Berlin begründet: »Ziel des Ordens ist die Umkonditionierung des Menschen zu einer höheren Bewusstseinsstufe. Dies soll erreicht werden durch die Zerstörung der bisherigen Moralvorstellungen, Neugliederung der gesellschaftlich anerkannten Lebensform und Lösung der bisherigen sozialen Konditionierung. Unter anderem durch erzwungenen Sexualverkehr, durch ein so genanntes Ekeltraining - Urin trinken und Kot essen - sollen die Betroffenen ihre natürlichen Hemmschwellen überwinden, wobei gegebenenfalls Alkohol als Hilfsmittel eingesetzt wird... Dem Leiter des Vereins oder einzelnen Ausbildern sind die Angehörigen des Ordens unbedingten Gehorsam schuldig.« Nach der Auflösung des Ordens in Berlin ziehen seine Mitglieder in den niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg um und gründen dort einen Verlag, um Grosches Arbeit fortzusetzen und die Werke von Crowley zu publizieren. Seit 1985 wird auch in Diskotheken des Hamburger Umlandes geworben. Vorwiegend junge Frauen schließen sich an. Eine von ihnen macht die verlangten Sexualpraktiken nicht mit und wird von einer engagierten Frauengruppe aus dem Satanistenzirkel gerettet. Sie wird zur Hauptzeugin in einem Gerichtsverfahren gegen Ordensgeneral Eschner, der vom Landgericht Lüneburg wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Körperverletzung zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren verurteilt wird. Doch das ist nicht das Aus. Nach Eschner gibt es »jetzt im ganzen Land viele kleine Gruppen, welche bei hohem individuellen Entwicklungsstandard effektiv arbeiten«. Einige bezeichnen sich als Thelemiten oder Thelema-Gruppen, einige benennen sich gar nicht. Die Botschaft der Fraternitas Saturni und des Thelema-Ordens basiert auf der so genannten Chrowley-Charta, in der es u.a. heißt: »Der Mensch hat das Recht, zu lieben wie er will. Auch erfüllet euch nach Willen in Liebe, wie ihr wollt, wann, wo und mit wem ihr wollt. Der Mensch hat das Recht, all diejenigen zu töten, die ihm dieses Recht zu nehmen suchen. Die Sklaven sollen dienen. Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.« Als in den 90er Jahren ein Schüler in Thüringen im Rahmen satanistischer Rituale von Altersgenossen umgebracht wird, befasst sich die Landesregierung erstmals intensiver mit den okkultistischen Zirkeln. Auch in anderen Bundesländern wird die Polizei fündig: In einem Dorf südlich von Hamburg wird ein junger Mann verurteilt, der auf einem Friedhof Totenschädel ausgegraben hat für seinen Hausaltar. Auf dem Dachboden einer Friedhofskapelle im niedersächsischen Dorf Stelle wird eine Satansmesse gehalten, während ein Toter aufgebahrt ist. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg werden bis heute am Ostersonnabend Luzifer-Feten in einer Diskothek gefeiert. Und kürzlich erneut ein Ritualmord. Den Grund zu solchen Entgleisungen haben Crowley und seine Epigonen gelegt. Doch das wollen sie heute nicht mehr wahrhaben und weisen auf ihren Homepages im Internet darau...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.