Online-Sex als Millionengeschäft

Ein Fünftel des Weltnetzes bietet Pornographie

  • Horst Knietzsch
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Analysen haben ergeben, dass nahezu 34 Prozent der deutschen Internetnutzer regelmäßig auf Sex- und Erotikseiten zugreifen. Über zwei Drittel aller Online-Umsätze werden von digitalen Sexanbietern kassiert. Kein Wunder, dass Online-Sex Chefsache ist.

Mit Erotik kann man Geld verdienen. Das ist ein lukratives Angebot, welches wir für uns sehr genau analysieren.« Der markige Spruch stammt nicht von einem Paten aus der Amsterdamer Rotlichtszene, sondern von Thomas Holtrop (45), dem Vorstandsvorsitzenden von T-Online International, dem größten deutschen Internet-Anbieter. Telekom-Chef Ron Sommer glaubte, dass Holtrop - Ende des vergangenen Jahres noch Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank 24 - als der Fachmann für Marketing und Produkte die an der Börse abgestürzten T-Online-Aktien wieder aus dem Keller holen könne. Von neuen Inhalten und Dienstleistungen ist die Rede, neue Internet-Erlebniswelten sollen geboten werden, Mobilzugang zum Netz, interaktives Fernsehen, aber auch von kostenpflichtigen Dienstleistungen. Schwerpunkt jeglicher Arbeit, so Holtrop, seien Profit und Professionalität. Hatte doch die Telekom-Tochter, trotz ihrer nahezu acht Millionen Kunden, im vergangenen Jahr einen Verlust von 125 Millionen Euro zu verzeichnen - ohne Berücksichtigung von Steuern, Zinsen und Aufwendungen für Abschreibungen. Ein Fünftel der weltweit erreichbaren Internet-Seiten gilt als pornographisch. Nach einer euphorischen Studie des britischen Marktforschungsinstituts Datamonitor aus dem Jahr 1999 sollen die Umsätze dieser Branche bis 2003 auf 3,1 Milliarden Mark steigen. Angebote wie Online-Spiele, Sportinformationen oder Musik bleiben unterhalb der Milliarden-Grenze. Die vermuteten Profit-Margen regen offensichtlich auch T-Online an, sich auf diesen Feldern zu suhlen. Ein Vorgeschmack auf die Richtung, in die der Kurs gehen soll, lässt sich jetzt schon im hauseigenen Portal unter Lifestyle/Erotik ablesen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Zeile »Große Ziele erfordern adäquate Mittel/ Der Knack-Arsch macht's« von Vorstandschef Holtrop stammt, aber der Redakteur des Online-Portals hat die Antrittsrede seines Chefs offensichtlich richtig verstanden. Warum nicht auch bei T-Online einen Bereich aufbauen, in dem der Nutzer gegen Gebühr Pornographisches genießen kann? Von Einschränkungen abgesehen, wie z.B. Kinderpornographie, ist das nicht verboten. Geld stinkt schließlich nicht. Börsenspekulanten und T-Online-Aktionäre werden wohl kaum danach fragen woher das Geld kommt, das ihre Aktien wieder steigen lässt. Im Grunde kommt T-Online mit seinen erotischen Überlegungen aus dem Mustopf. Wie vor einigen Tagen im »Handelsblatt« zu lesen war, erhofft auch die Mobilcom-Tochter Freenet AG, ein großer deutscher Internet-Anbieter, mit Erotik-Angeboten einen Millionenumsatz. Im Juni hat das Unternehmen gemeinsam mit dem aus dem Uhse-Imperium hervorgegangenen Sexspielzeug-Versandhaus Orion die Fundorado GmbH gegründet. Die dritte Firma im Boot ist Audiofon, die kostenpflichtige Telefon-Hotlines unter der Vorwahl 0190 betreibt. In Kürze will das Dreigespann ein »Erotik-Lifestyle-Portal« betreiben, auf dem »hochwertige« Pornographie gegen Entgelt angeboten wird. Die Gewinnschwelle soll bereits kurz nach dem Start erreicht werden, und für 2002 rechnet man mit einem Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe. Die Troika ist guten Mutes und hat ein reines Gewissen, denn das Bundeskartellamt hat die Firmengründung geprüft und genehmigt. »Mit Fundorado revolutionieren wir den Erotik-Markt im Internet und werden innerhalb kürzester Zeit die Marktführerschaft in diesem extrem umsatzstarken Segment übernehmen«, hofft Eckhard Spoerr, Vorstandsvorsitzender von Freenet.de. Die Focus Digital AG, eine Tochter des Burda-Verlages, in dessen Aufsichtsrat auch »Focus«-Chefredakteur Helmut Markwort sitzt, arbeitet mit dem amerikanischen Playboy-Konzern zusammen. Für den Herbst ist ein Unterhaltungsangebot für Männer angekündigt, allerdings noch ohne Hardcore-Erotik. Bei der Firma Medianet geht's schon anders zur Sache. Die hat sich die Filmrechte eines spanischen Pornoproduzenten für Deutschland gesichert. Mit hohen Umsätzen wird gerechnet. Wieder einmal scheint die Stunde der Spekulanten gekommen. Die meisten Erotik-Anbieter sind an der Börse notiert. Nicht wenige Firmen aus dem Medien-Bereich haben in den letzten Monaten viele Kleinanleger geschädigt. Soll der Griff nach dem virtuellen Rotlichtbezirk Rettung bringen? Ein zweifelhaftes Unterfangen, das auch bei den Analysten umstritten ist. Der Uhse-Konzern hat 1999 beim Gang an die Börse vollmundig erklärt, man werde bis Ende 2001 über das Internet 53 Millionen Euro umsetzen. Davon ist man meilenweit entfernt. Nicht jeder, der sich für virtuellen Sex interessiert, will dafür bezahlen. Das kostenlose, weltweite Angebot an Erotik und Pornographie diffuser Herkunft übersteigt jetzt schon jedes Maß. Sollten sich namhafte deutsche Internet-Anbieter in diese Sparte einklinken, könnten ihre honorigen Chefs in den Vorstandsetagen schnell in...

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