Der König ist zurückgekehrt

Neues Geschichtsbewusstsein in der volksdemokratischen Republik am Mekong

  • Alfred Michaelis, Vientiane
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Mit großem Pomp bewegten sich die farbenprächtig gekleideten Prozessionsteilnehmer durch die Hauptstadt Vientiane: Laos feierte am vergangenen Sonntag die Entstehung des ersten laotischen Königreiches vor 650 Jahren.


Das Land hatte so ziemlich alles aufgeboten, was in der Tradition Bedeutung hat: einen weißen Elefanten, einst Sinnbild königlicher Extravaganz, Macht und Würde, die altehrwürdige Buddhastatue Pha Bang, das Sinnbild des Königreiches Lane Xang, die Kopien buddhistischer Texte, buddhistische Mönche, kunterbunte Krieger mit Holzschwertern und eine Menge Volk.
Dem Anlass war das durchaus angemessen, denn auf den Tag vor 650 Jahren hatte sich FaNgoum zum ersten König des geeinigten laotischen Reiches Lane Xang ausgerufen. Nicht nur die gewaltige Prozession erinnert an das Datum. Auch der König selbst ist wieder da. In Bronze zwar nur, aber immerhin: FaNgoum bekam ein würdiges Denkmal und 300 Darsteller führten ein rührseliges Theaterstück auf. Die neue Kulturstiftung des Landes bot 650 Miniaturausgaben des Königsdenkmals zu rund 100 Euro Spende pro Stück an und die sonst nüchternen Medien des Landes würdigten das Jubiläum in umfangreichen Darstellungen.
Staats- und Parteichef Khamtay Siphandone ließ es sich nicht nehmen, das Denkmal auf dem in aller Hast provisorisch hergerichteten Platz selbst zu enthüllen, nachdem er in buddhistischer Tradition der heiligen Statue Pha Bang seine Ehre erwiesen hatte. Noch bis in die späten Nachtstunden legten Menschen aus allen Landesteilen Blumen, Kerzen und Räucherstäbchen nieder und warteten geduldig auf eine Audienz beim heiligen Pha Bang. Es war, als sei der König selbst zurückgekehrt.
Seit Gründung der Volksdemokratischen Republik im Jahre 1975 gab es keine vergleichbare Erinnerung an die royalistische Vergangenheit des kleinen Landes. Im Gegenteil, nachdem der letzte König Sri Savang Vatthana zunächst zum Berater von Präsident Souphanouvong, dem »Roten Prinzen«, bestellt worden war, fristete er seine letzten Jahre gemeinsam mit Königin und Kronprinz in einem kargen Lager im unwirtlichen Nordosten des Landes.
Die Jubiläumsfeiern waren jedoch nur der vorläufige Höhepunkt einer ebenso still wie beharrlich erfolgenden Umbewertung der Geschichte. Schließlich geht es darum, dem eigenen Volk in Zeiten multinationalen Zusammenschlusses innerhalb der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten (ASEAN) einen festeren Bezugsrahmen zu verleihen, als ihn das bunte Völkergemisch der laotischen Volksrepublik bisher bieten konnte. Das ist umso wichtiger, als der starke und ethnisch wie kulturell sehr nahe Nachbar Thailand sich in neuem Nationalismus versucht und die Laoten keine guten Erinnerungen an die Zeit des Pan-Thaismus der 30er Jahre haben. Damals benannte sich Siam in Thailand um und strebte den Anschluss aller von Tai-Völkern bewohnten Gebiete an - allen voran Laos.
Nun stellt die offizielle laotische Geschichtsschreibung die bisherige Lehrmeinung der Historiker völlig auf den Kopf. Bislang galt als sicher, dass die Tai-Lao aus dem Norden, etwa aus Zentralchina, nach Indochina zugewandert sind. Das, so die neue laotische Version, sei eine Erfindung der Kolonisatoren, um die Völker des Landes gegeneinander auszuspielen und besser ausbeuten zu können. In Wahrheit habe die Wiege der Tai-Lao-Völker am Mittellauf des Mekong gestanden, just im heutigen Laos also.
Natürlich hat das plötzlich erwachende Interesse an der Geschichte auch mit der Legitimation der heutige Verhältnisse im Land zu tun. Die Laotische Revolutionäre Volkspartei, seit 1975 einzige politische Partei im Lande, führt auch den Historikern die Feder und beschloss gewissermaßen einen Olymp der nationalen Helden. 600 Jahre laotischer Geschichte steuerten dazu vier Heroen bei, allesamt Könige. Die letzten 50 Jahre dagegen brachten es auf acht, bisher. Sie alle werden in Bronze verewigt, wobei der Beschluss vorsorglich auch gleich Pose, Kleidung und darzustellendes Lebensalter vorschreibt. So war der beeindruckende Festumzug zu 650 Jahren Lane Xang der Auftakt zu weiteren Denkmalsweihen, die in den kommenden Jahren bevorstehen. Dass damit eine Neuausrichtung des Geschichtsunterrichts in Schulen und Universitäten einhergeht, liegt in der Natur der Dinge. Mit dem neuen Patriotismus und Nationalismus folgt Laos lediglich einem Trend, der in den anderen Mitgliedstaaten der ASEAN schon seit längerem zu beobachten ist. Annäherung durch Abgrenzung sozusagen. In Laos wird damit ein Prozess der Nationenbildung gefördert, der auch künftig nicht einfach verlaufen wird. Denn die ethnischen Lao machen gerade die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus. Auch so gesehen, ist die Aussage der neuen Geschichtsauffassung eindeutig: Die Lao waren schon immer hier!
Das Land hatte so ziemlich alles aufgeboten, was in der Tradition Bedeutung hat: einen weißen Elefanten, einst Sinnbild königlicher Extravaganz, Macht und Würde, die altehrwürdige Buddhastatue Pha Bang, das Sinnbild des Königreiches Lane Xang, die Kopien buddhistischer Texte, buddhistische Mönche, kunterbunte Krieger mit Holzschwertern und eine Menge Volk.
Dem Anlass war das durchaus angemessen, denn auf den Tag vor 650 Jahren hatte sich FaNgoum zum ersten König des geeinigten laotischen Reiches Lane Xang ausgerufen. Nicht nur die gewaltige Prozession erinnert an das Datum. Auch der König selbst ist wieder da. In Bronze zwar nur, aber immerhin: FaNgoum bekam ein würdiges Denkmal und 300 Darsteller führten ein rührseliges Theaterstück auf. Die neue Kulturstiftung des Landes bot 650 Miniaturausgaben des Königsdenkmals zu rund 100 Euro Spende pro Stück an und die sonst nüchternen Medien des Landes würdigten das Jubiläum in umfangreichen Darstellungen.
Staats- und Parteichef Khamtay Siphandone ließ es sich nicht nehmen, das Denkmal auf dem in aller Hast provisorisch hergerichteten Platz selbst zu enthüllen, nachdem er in buddhistischer Tradition der heiligen Statue Pha Bang seine Ehre erwiesen hatte. Noch bis in die späten Nachtstunden legten Menschen aus allen Landesteilen Blumen, Kerzen und Räucherstäbchen nieder und warteten geduldig auf eine Audienz beim heiligen Pha Bang. Es war, als sei der König selbst zurückgekehrt.
Seit Gründung der Volksdemokratischen Republik im Jahre 1975 gab es keine vergleichbare Erinnerung an die royalistische Vergangenheit des kleinen Landes. Im Gegenteil, nachdem der letzte König Sri Savang Vatthana zunächst zum Berater von Präsident Souphanouvong, dem »Roten Prinzen«, bestellt worden war, fristete er seine letzten Jahre gemeinsam mit Königin und Kronprinz in einem kargen Lager im unwirtlichen Nordosten des Landes.
Die Jubiläumsfeiern waren jedoch nur der vorläufige Höhepunkt einer ebenso still wie beharrlich erfolgenden Umbewertung der Geschichte. Schließlich geht es darum, dem eigenen Volk in Zeiten multinationalen Zusammenschlusses innerhalb der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten (ASEAN) einen festeren Bezugsrahmen zu verleihen, als ihn das bunte Völkergemisch der laotischen Volksrepublik bisher bieten konnte. Das ist umso wichtiger, als der starke und ethnisch wie kulturell sehr nahe Nachbar Thailand sich in neuem Nationalismus versucht und die Laoten keine guten Erinnerungen an die Zeit des Pan-Thaismus der 30er Jahre haben. Damals benannte sich Siam in Thailand um und strebte den Anschluss aller von Tai-Völkern bewohnten Gebiete an - allen voran Laos.
Nun stellt die offizielle laotische Geschichtsschreibung die bisherige Lehrmeinung der Historiker völlig auf den Kopf. Bislang galt als sicher, dass die Tai-Lao aus dem Norden, etwa aus Zentralchina, nach Indochina zugewandert sind. Das, so die neue laotische Version, sei eine Erfindung der Kolonisatoren, um die Völker des Landes gegeneinander auszuspielen und besser ausbeuten zu können. In Wahrheit habe die Wiege der Tai-Lao-Völker am Mittellauf des Mekong gestanden, just im heutigen Laos also.
Natürlich hat das plötzlich erwachende Interesse an der Geschichte auch mit der Legitimation der heutige Verhältnisse im Land zu tun. Die Laotische Revolutionäre Volkspartei, seit 1975 einzige politische Partei im Lande, führt auch den Historikern die Feder und beschloss gewissermaßen einen Olymp der nationalen Helden. 600 Jahre laotischer Geschichte steuerten dazu vier Heroen bei, allesamt Könige. Die letzten 50 Jahre dagegen brachten es auf acht, bisher. Sie alle werden in Bronze verewigt, wobei der Beschluss vorsorglich auch gleich Pose, Kleidung und darzustellendes Lebensalter vorschreibt. So war der beeindruckende Festumzug zu 650 Jahren Lane Xang der Auftakt zu weiteren Denkmalsweihen, die in den kommenden Jahren bevorstehen. Dass damit eine Neuausrichtung des Geschichtsunterrichts in Schulen und Universitäten einhergeht, liegt in der Natur der Dinge. Mit dem neuen Patriotismus und Nationalismus folgt Laos lediglich einem Trend, der in den anderen Mitgliedstaaten der ASEAN schon seit längerem zu beobachten ist. Annäherung durch Abgrenzung sozusagen. In Laos wird damit ein Prozess der Nationenbildung gefördert, der auch künftig nicht einfach verlaufen wird. Denn die ethnischen Lao machen gerade die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus. Auch so gesehen, ist die Aussage der neuen Geschichtsauffassung eindeutig: Die Lao waren schon immer hier!

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