Umstrittener Anspruch auf Nutzungsentgelt für Hausgrundstücke von 1992 bis 1995

  • Frank Auerbach
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Viele Nutzer von Eigenheimgrundstücken, die aus den verschiedensten Gründen noch nicht die Sachenrechtsbereinigung vollziehen konnten, sahen sich plötzlich im Herbst vergangenen Jahres Nutzungsentgeltforderungen für den Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum 31. März 1995 ausgesetzt, und zwar gestützt auf das Moratorium des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Häufigste Gründe waren ein erst unlängst abgeschlossenes Restitutionsverfahren oder schleppende Bearbeitung, aber auch noch nicht weit zurückliegend abgeschlossene Verträge im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung. Nach hiesiger Kenntnis wurden insbesondere in ostdeutschen Großstädten wie Chemnitz, Dresden und insbesondere Berlin (von dort Liegenschaftsfonds) reihenweise solche Nutzungsentgeltforderungen noch im September und Oktober 2002 verschickt. Betroffen waren auch vielfach Nutzer dinglicher Nutzungsrechte aus DDR-Zeiten, die beim Verkauf der Eigenheime an die Nutzer diesen unentgeltlich mit der so genannten blauen Nutzungsurkunde eingeräumt worden waren. Zum Hintergrund: Die Regelungen, auf die sich diese Nutzungsentgeltforderungen stützen, wurden durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. April 1998 veranlasst und durch Neuregelung im Grundstücksrechtsänderungsgesetz vom 2. November 2000 in die gesetzlichen Vorschriften aufgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hatte seinerzeit gefordert, dass all jene Fälle, die unter das Besitzrechtsmoratorium des Art. 233 § 2 a EGBGB fallen, nach dem 22. Juli 1992 nicht mehr ein unentgeltliches Besitzrecht am Grundstück hätten, sondern ein Entgelt zu zahlen hätten. Der Entgeltausschluss bis zum In-Kraft-Treten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes sei verfassungswidrig. Daraufhin hatte sich der Bundesgesetzgeber im Jahre 2000 veranlasst gesehen, eine Regelung durch das Grundstücksrechtsänderungsgesetz in das Moratorium einzufügen, die die befristete Nachforderung von Nutzungsentgelten für den Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum 31. März 1995 ermöglichte. Dies geschah mit der Maßgabe, dass dieser Anspruch nach In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung am 8. November 2000 bis zum 8. November 2002 geltend zu machen sei. Danach sollte er verjähren. Nachdem die Gemeinden zögerlich mit dem neuen gesetzlichen Anspruch umgingen, wurden sie vielfach kurz vor Verjährung des Anspruches im Herbst 2002 aktiv und schickten den Nutzern Nutzungsentgeltforderungen zu. Damit wollten sie bei Widerspruch durch die Nutzer noch rechtzeitig durch Klage oder Mahnbescheid bei Gericht »landen« und der Verjährung entgehen. Die rechtliche Bewertung: Heftig umstritten war und ist die Forderungsberechtigung auf Grund des Moratoriums in Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB bei Inhabern so genannter unentgeltlicher dinglicher Nutzungsrechte. Eine gerichtliche Klärung konnte, soweit bekannt, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist am 8. November 2002 nicht erreicht werden. Das Bundesministerium der Justiz vertrat bei Anfragen verschiedener Gemeinden die Auffassung, dass in solchen Fällen, wo derartige Forderungen an Inhaber unentgeltlicher dinglicher Nutzungsrechte herangetragen wurden, eine Forderung nicht berechtigt ist. Diese dinglichen Nutzungsrechte wurden, wenn sie unentgeltlich zu DDR-Zeiten vergeben waren, auch nach dem Beitritt der DDR zur BRD mit diesem Rechtsinhalt weitergeführt. Durch das Moratorium wurden nur jene Rechtsverhältnisse gesichert, die bis dahin keine entsprechende Absicherung hatten, insbesondere so genannte nutzungsrechtslose Nutzungen. Außerdem ist davon auszugehen, dass eine einseitige Änderung eines bisher unentgeltlichen Nutzungsrechtes auch nicht möglich ist. Zudem spricht der Wortlaut des Gesetzes selbst im Moratorium des Art. 233 § 2 a EGBGB dafür, dass das gesetzliche Besitzschutzmoratorium mit dem Entgeltanspruch unbeschadet bestehender Nutzungsrechte und günstigerer Vereinbarungen und Regelungen gilt. Das heißt, günstigere Vereinbarungen gehen dem Gesetzeswortlaut vor. Versteht man unentgeltlich verliehene oder zugewiesene dingliche Nutzungsrechte als günstigere Regelungen für die Nutzer, so ist die Konsequenz vernünftig, dass in diesen Fällen die gesetzliche Forderungsberechtigung nach dem Moratorium nicht besteht. Der Lichtblick: Für alle jene Nutzer als Inhaber solcher unentgeltlicher dinglicher Nutzungsrechte, die sich im Herbst vergangenen Jahres nicht haben einschüchtern lassen und sich schon in Rechtsstreiten befinden oder noch zu erwarten haben, hat sich nunmehr ein Lichtblick gezeigt. Das Landgericht Chemnitz hat in einem, soweit bekannt, ersten Urteil zu dieser Problematik in der Berufungsinstanz die vorstehende Auffassung, die auch das Bundesministerium der Justiz vertritt, bestätigt (Urteil vom 12. Dezember 2002, Az. 6 S 4147/01). Es handelte sich um einen Fall eines durch Urkunde zur unentgeltlichen Nutzung zugewiesenen Nutzungsrechtes. Das Landgericht Chemnitz hat festgestellt, dass diese schriftlich dokumentierte Berechtigung die Anwendung des Art. 233 § 2 a EGBGB ausschließt. Das Besitzrechtsmoratorium sollte danach lediglich »ungeklärte« und so genannte »hängende« Besitzfälle erfassen, in denen das Besitzrecht fragwürdig war. Es galt jedoch nicht für - wie hier - eindeutig geklärte, zu DDR-Zeiten verliehene bzw. zugewiesene und im Fortbestand durch den Einigungsvertrag übergeleitete dingliche Nutzungsverhältnisse, bei denen das Gericht eine vorhandene »manifestierte Nutzungsbefugnis« festgestellt hat. Auch wenn dies noch nicht der Schlusspunkt war - das Landgericht Chemnitz hat die Revision zugelassen, und es ist noch nicht bekannt, ob die Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt wurde -, die Entscheidung ist Grund genug für die betroffenen Nutzer, weitere Hoffnung zu schöpfen. FR...

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