Peter Hartz wörtlich und in der Tat

Peter Kees berechnet der Gesellschaft seine persönliche Lebenszeit

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Belforter Straße, Prenzlauer Berg: Willkommen im »Szeneviertel« mit dem innovativen Klima. Hier erwartet man sie, die kleinen Büros unklaren Zwecks mit nackten Wänden und kühlem Schreibmöbel. Business als Lebensstil? Peter Kees hat seine »Ich-AG« an der richtigen Stelle eröffnet. Die Adresse passt zum Interieur. Das nunmehr auch offizielle »Unwort des Jahres« hat sich der Aktionskünstler leuchtend und groß auf den Tisch gestellt. Das wirke so überzeugend, erzählt er, dass er schon mehrmals ernst genommen worden sei: Tipps wollten die Klienten haben. Wie man denn nun eine »Ich-AG« eröffne? Wie man sich selbst am besten auf dem Markt platziere? Für Ratsuchende aller Art hat Kees seine Ich-Satzung an die Wand gepinnt: »Die Ich-AG folgt der Wortschöpfung von Peter Hartz wörtlich und setzt seinen Gedanken konsequent in die Tat um. Gegenstand des Unternehmens ist somit die Verrechnung jeglichen personenbezogenen Seins.« Zeit ist Geld, sagt der Volksmund. Leben ist Kapital, steigert dies Peter Hartz. Peter Kees dreht den Spieß um: »Meine Leistung: Ich bin da«, sagt er - und stellt seit Dezember lebensprägenden Institutionen seine Existenz in Rechnung. An McDonalds ging eine wegen »Belastung durch Verzehr«, »weltwirtschaftlicher Einflussnahme« und »Beeinflussung durch Dritte«, dem Graf-Münster-Gymnasium zu Bayreuth berechnete Kees eine »Schulbesuchsbelastungspauschale«. Gerhard Schröder, Axel Springer, die Post, die Bahn: Niemand wird verschont - stets inclusive 16 Prozent Mehrwertsteuer. Bei Säumnis wird selbstverständlich gemahnt. Eine »soziale Plastik« nennt Peter Kees seine Installation und lässt den Namen Joseph Beuys fallen. Mit seiner Aktion will er Fragen aufwerfen, ohne die Antworten gleich mitzuliefern. Die Kunst, sagt er, dürfe sich gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen ruhig etwas mehr mit der sie umgebenden Gesellschaft auseinander setzen. Schließlich befasse sich diese ja auch mit ihr. Mehrmals hat diese Gesellschaft auch schon auf Kees' Kunst geantwortet. Im Auftrag von Hartmut Mehdorn fand sogar ein Reisegutschein im Wert von immerhin 10 Euro seinen Weg in die Belforter Straße. Auch Klaus Wowereit ließ reagieren - aber dazu nur eins: Der Bahn-Chef hat mehr Humor als der Regierende Bürgermeister. Die »Ich-AG« von Peter Kees ist jeden Freitag zwischen 15 und 19 Uhr in der Belforter Straße 9 zu besichtigen.
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