Abschied vom »System« - nicht vom Mieter

Abgeordnetenhaus debattierte Ausstieg aus altem System der Förderung des sozialen Wohnungsbaus

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Das Ende der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau ist da. Einig waren sich darüber gestern in einer Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses faktisch alle Fraktionen. Nicht nur für Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Die Grünen) ging es gleich in der Begründung bei dem angesichts leerer Kassen von Rot-Rot nun gewagten Ausstieg um den Abschied von einem »verrückten System« und 30 Jahren verfehlter Wohnungspolitik. Betroffen sind vom Wegfall der Förderung knapp 26000 Wohnungen, davon auch rund 12000 im Ostteil. Gerechnet wird mit einer Einsparung von hunderten Millionen Euro, weitere Förderung würde 2,5 Milliarden Euro kosten. Von einem »dramatischen Schritt« sprach Peter Strieder (SPD), Senator für Stadtentwicklung. Dieser sei aber »möglich und nötig«. Er räumte ein, die neue Lage könne zu Mietsteigerungen bis zur Kostenmiete und dazu führen, dass Mieter ihre Wohnungen verlassen müssen. Die Betroffenen würden jedoch nicht allein gelassen. Angekündigt wurden vom Senator u.a. rechtzeitige und verständliche Informationen für die Mieter, ein Umzugsmanagement und das Angebot neuer Wohnungen, direkte Hilfen bei »untragbaren Härten«, ein Sonderwohngeld für begrenzte Zeit, Hilfen für karitative Organisationen und Genossenschaften. Geschaltet wurde zudem eine Hotline bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und bei der Investitionsbank Berlin. All das werde nach Meinung Peter Strieders dazu beitragen, dass der Ausstieg aus der Anschlussförderung »nicht im Chaos endet, sondern dass es auch einen Ausstieg für Mieter gibt, der sozial abgefedert wird«. Von der PDS-Fraktion, die sich am gleichen Tage mehrheitlich für das Ende der bisherigen Form der Anschlussförderung ausgesprochen hatte, war solches vom Senat konkret gefordert worden. Dieser solle »schnellstmöglich ein Konzept zum Schutz der Mieterinnen und Mieter bei Mietsteigerungen, bei notwendigen Umzügen sowie möglichen Folgen im Falle der Insolvenz der Vermieter« vorlegen. Geprüft werden solle auch wie mit einer »Vertragsregelung eine Verbesserung des Mieterschutzes möglich ist«. Eine weitere Förderung hatte in der Debatte Michael Nelken (PDS) als »fiskalisch und sozial unverantwortlich« bezeichnet und von einem »Raubzug auf die öffentlichen Kassen« gesprochen. Nun mache man den »klaren Schnitt mit klarem Kopf«. Mieterschutz stehe nun im Vordergrund. Hinweise, die Betroffenen »können ja umziehen«, seien zutiefst unsozial. Auch 140 Euro mehr im Monat können manche Mieter eben nicht verkraften. »Sie wohnen da ja nicht aus Geiz.« Natürlich bot die Debatte reichlich Anlass zur Polemik, geriet sogar trotz des ernsten Anlasses zuweilen fast aus dem parlamentarisch wünschenswerten Rahmen. So volkstümelte Fritz Niedergesäß für die wegen vermeintlicher Unschuld ziemlich übermütige CDU gegen alle, doch ausnahmsweise mal nicht gegen die PDS: »Ihr seid übrijens die eenzijen Unschuldjen an dem Ding.« Dann drohte er Rot-Rot aber doch noch kräftig oppositionell: »Wenn sie die Kostenmiete auf die Mieter abwälzen wollen, werden wir den Häuserkampf organisieren.« Klaus-Peter von Lüdecke (FDP) war richtig froh, dass Anfang der 70er Jahre seine Partei nicht regierte. Nun sprach er für einen »geordneten Rückzug« statt heilloser Flucht. Hotline der Investitionsbank, Mo.-Do. 8-16 Uhr, Fr. 8-14 Uhr, für Mieter und Selbstnutzer von Wohneigentum: 21252660, für Vermieter 21252662. Hotline der Senatsverwaltung für Mieter 90125036, für Vermieter 90...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.